Neunundzwanzigste Erzählung.

[233] Ein alter Bauer hat eine junge Frau, die mit dem Dorfgeistlichen ein Verhältniß hat. Einmal rettet sie nur die Geistesgegenwart des letzteren vor Entdeckung.


In der Grafschaft Maine lebte in dem Dorfe Arcelles ein reicher Bauer, welcher, als er schon alt war, eine schöne junge Frau geheirathet hatte, die von ihm keine Kinder hatte, sich aber über diesen Verdruß mit einigen guten Freunden tröstete. Und wenn es ihr an Edelleuten und sonstigen höher stehenden Persönlichkeiten mangelte, nahm sie zur Geistlichkeit ihre Zuflucht und machte denjenigen zum Genossen ihrer Sünde, der sie von derselben absolviren sollte, ihren Dorfgeistlichen nämlich, der als Seelenhirt dieses Schaf seiner Heerde sehr oft besuchen kam. Der alte und schwerfällige Mann hatte keinen Verdacht, da er aber stark und kräftig war, handelte seine Frau so heimlich wie möglich, da sie befürchtete, daß ihr Mann, wenn er etwas merkte, sie tödten würde. Als er eines Tages auf dem Felde war und seine Frau annahm, er würde nicht so bald wieder kommen, schickte sie nach dem Pater, um ihr die Beichte abzunehmen. Und als sie gerade im intimsten Gedankenaustausch waren, kam ihr Mann so plötzlich wieder, daß jener nicht Zeit hatte, aus dem Haus zu kommen; um sich zu verstecken, stieg er auf Anrathen der Frau auf den Boden über dem Zimmer und deckte die Fallthür mit einer Kornschwinge zu. Der Mann trat ins Haus, und da sie befürchtete, er möchte Verdacht schöpfen, setzte sie ihm viele Gerichte vor und gab ihm reichlich zu trinken; er sprach auch der Flasche gut zu, und da er von seiner Feldarbeit ermüdet war, wurde er schläfrig und schlummerte in einem Stuhl vor dem Heerde ein. Der Pater sing sich auf seinem Boden an zu langweilen, und da er kein Geräusch mehr im Zimmer unter sich hörte, ging er nach der Fallthür, machte einen langen Hals und sah, daß[233] der gute Alte schlief; beim Heruntersehen stützte er sich aber zu sehr auf und fiel mitsammt der Kornschwinge durch die Oeffnung hinunter neben den Schlafenden, der von dem Lärm erwachte. Er hatte aber noch nicht ordentlich die Augen aufgemacht, als der andere schon wieder auf seinen Füßen stand und zum Bauer sagte: »Mein lieber Alter, hier ist Eure Kornschwinge, ich danke auch bestens.« Dann machte er sich eilig davon. Der Bauer fragte erstaunt: »Was war denn das?« worauf seine Frau ihm antwortete: »Der Pater hatte sich Eure Schwinge geborgt und hat sie jetzt zurückgebracht.« Der Alte sagte brummig: »Nun, der macht ja rechten Spektakel, wenn er was zurückbringt; ich dachte, das Haus stürzte zusammen.« Durch diese Geistesgegenwart rettete sich der Pater auf Kosten des guten Alten, der nur die geräuschvolle Art, mit der der Geistliche die Schwinge wiederbrachte, zu tadeln fand.

»Dieses Mal, meine Damen«, schloß Nomerfide, »schonte Gott seinen Diener, um ihm eine größere Bestrafung aufzusparen.« »Glaubt nur nicht«, sagte Guebron, »daß die einfachen Leute nicht verschlagen in Liebesdingen sein können; sie sind es eher mehr wie wir. Seht nur die Straßenräuber an, die Mörder, Zauberkünstler, Falschmünzer und Konsorten, deren Geist niemals ruht; größtentheils sind es arme Leute und Handwerker.« Parlamente sagte: »Ich finde es nicht wunderbar, daß sie größere Verschlagenheit haben, aber wohl wundere ich mich, daß sie bei ihrer Arbeit noch von der Liebe geplagt werden, und ein so liebliches Gefühl in so unkultivirte Herzen eindringt.« »Ihr wißt doch, Madame«, sagte Saffredant, »was Jean de Meun gesagt hat:


›Liebestrug giebt es in allen Ständen,

In Edelmanns und Bauers Händen.‹


Die Liebe, von der die letzte Erzählung spricht, ist auch nicht die, die wir unter dem Harnisch tragen. Die armen Leute haben nicht unsere Reichthümer und unsere Ehren, aber manche Genüsse liegen ihnen viel bequemer als uns. Ihre Speisen sind nicht so schmackhaft, aber mit ihrem Schwarzbrot haben sie besseren Appetit und nähren sich besser, als wir mit unserer feinen Küche. Sie haben nicht so schöne und weiche Betten, aber sie schlafen besser und länger. Sie haben keine geschminkten und geputzten Frauen, wie wir sie[234] vergöttern, aber sie können sich mit den ihren öfter vergnügen und brauchen kein Geklatsch zu befürchten, außer von den Thieren und Vögeln, die sie sehen. Kurz, es fehlt ihnen Vieles, was wir haben, sie haben aber auch manches mehr als wir.« Nomerfide sagte: »Nun bitte ich aber, lassen wir den Bauer bei seinem Vergnügen und beenden wir unseren Tag vor der Vesper; Hircan möge die letzte Erzählung geben.« Dieser sagte: »Es wird eine traurige, wenn je eine war. Es ist mir zwar selbst unlieb, Schlimmes von einer Frau zu sagen, da ich weiß, daß die Männer oft ganz ungehöriger Weise von einer ausgehend alle tadeln; aber der seltsame Fall, den ich im Gedächtniß habe, läßt mich meine Scheu überwinden, vielleicht macht die Klarlegung der Unüberlegtheit dieser Frau andere klüger.«

Quelle:
Der Heptameron. Erzählungen der Königin von Navarra. Leipzig [o.J.], S. 233-235.
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