Fünfte Erzählung.

[41] Eine Schifferin entrinnt den Händen zweier Franziskanermönche, die ihr Gewalt anthun wollen, und versteht es so einzurichten, daß die Sache ganz bekannt wird.


An Coulon bei Hiort war eine Schiffersfrau, die Tag und Nacht nichts anderes zu thun hatte, als Leute über den Fluß zu setzen. Eines Tages nun begab es sich, daß zwei Franziskaner aus Hiort allein mit ihr im Nachen waren, und da die Ueberfahrt eine der längsten in ganz Frankreich ist, begannen diese, damit ihnen die Zeit nicht lang würde, ihr von Liebe zu sprechen. Sie antwortete jedoch, wie es sich schickte. Die beiden Mönche aber, die weder die Länge des Weges, den sie schon hinter sich hatten, ermüdet zu haben, noch die aus dem Wasser emporsteigende Frische abzukühlen schien und die sich auch die Zurückweisung der armen Frau nicht zu Herzen nahmen, beschlossen, ihr Gewalt anzuthun und, wenn sie etwa sich sträuben sollte, sie ins Wasser zu werfen. Sie war aber gerade so klug wie jene und sagte zu ihnen: »Ich bin garnicht so ungeneigt, als es den Anschein hat, aber ich bitte Euch, mir zwei Bitten zu gewähren, dann sollt Ihr sehen, daß ich Euch ganz gern zu Diensten sein will.«

Die Mönche schwuren beim heiligen Franziskus, daß sie ihr jede Bitte gewähren wollten, wenn sie nur dann auch ihnen zu Wunsch wäre. Sie sagte nun: »Ich bitte Euch erstens, mir zu[41] schwören, zu keinem lebenden Wesen jemals von dieser Stunde zu sprechen.« Sie versprachen das bereitwilligst. Dann fuhr sie fort: »Das zweite ist, daß, wenn der eine von Euch bei mir ist, der andere nicht zugegen sein soll, ich würde sonst vor Scham vergehen, wenn der andere uns zusähe. Macht also unter Euch ab, wer der erste sein soll.« Die beiden Mönche fanden diese Bitte ganz vernünftig, und der jüngere gab dem älteren den Vorrang. Als sie nun in der Nähe einer kleinen Insel angelangt waren, sagte sie zu dem jüngeren: »Hier könnt Ihr Eure Gebete hersagen, ich fahre indeß mit Eurem Klosterbruder nach der nächsten Insel dort, und wenn wir zurückkommen, bleibt er hier und Ihr kommt mit mir.« Der jüngere sprang also ans Ufer, und die Schifferin fuhr mit dem zweiten nach einer anderen Insel. Als sie dort angelangt waren, beschäftigte sie sich noch eine Weile mit dem Anbinden des Kahnes und sagte, zu ihrem Begleiter: »Sieh Dich doch um und suche eine passende Stelle.«

Der Mönch ging eine Strecke in das Innere der Insel hinein, um einen geeigneten Fleck ausfindig zu machen. Kaum sah sie ihn aber vom Ufer entfernt, als sie sich gegen einen Baumstamm abstieß und mit ihrem Kahn nach der Mitte des Flusses zurückruderte, beide Mönche auf den unbewohnten Inseln lassend. Mit lauter Stimme rief sie zu ihnen herüber: »Nun wartet, bis ein Engel Gottes Euch trösten kommt, von mir werdet Ihr nichts mehr zu sehen bekommen.« Als sich nun die armen Mönche hintergangen sahen, fielen sie am Ufer auf die Kniee und flehten sie an, sie möchte ihnen nicht diese Schande anthun, und verschwuren sich hoch und theuer, sie wollten sie ganz in Ruhe lassen, wenn sie sie nur nach dem anderen Flußufer bringen wollte. Sie entfernte sich aber immer weiter und rief: »Ich müßte thöricht sein, mich wieder in Eure Hände zu geben, denen ich eben entronnen bin.« Nachdem sie in ihr Dorf zurückgekehrt war, rief sie ihren Mann und Leute vom Gericht, um die beiden, denen sie mit Gottes Hülfe entflohen war, festnehmen zu lassen. Das ganze Dorf fast ging mit, Groß und Klein wollte am Vergnügen dieser Jagd theilnehmen. Als die armen Klosterbrüder diese große Anzahl Menschen auf sich zukommen sahen, versteckten sie sich ein jeder in seiner Insel, wie es Adam[42] gethan hatte, als der liebe Gott auf ihn zutrat. Nun endlich wurde ihnen ihre Sünde klar, und die Furcht vor der Strafe machte sie erzittern, so daß man sie halb todt antraf. Nichtsdestoweniger wurden sie ins Gefängniß geführt und auf dem Wege dahin wurden sie weidlich verhöhnt und verspottet von Männern und Frauen. Die einen sagten, sie sind wie die Grabdenkmäler von außen schön anzusehen, und innen ist Alles Staub und Verwesung. Andere riefen, an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.

Ihr könnt überzeugt sein, daß, was nur die Heilige Schrift über die Scheinheiligen sagt, hier angewandt wurde. Schließlich wurden sie auf Verwenden des Abtes, der schleunigst hergereist kam und das weltliche Gericht versicherte, er würde sie schon schwerer bestrafen, als es selbst es könnte, und ihnen so viel Fürbitten und Gebete herzusagen aufgeben, als man nur wünsche, aus der Haft befreit. Der Richter gab sich also damit zufrieden und lieferte die beiden Mönche aus; sie sind auch von ihrem Abt, der ein sittenstrenger Mann war, dermaßen abgekanzelt worden, daß sie niemals wieder über einen Fluß setzten, ohne das Zeichen des Kreuzes zu machen und sich dem Schutze Gottes zu empfehlen.

»Nun bitte ich Euch, meine Damen«, beendete Guebron seine Geschichte, »wenn diese gewöhnliche Schiffersfrau es verstand, zwei verschlagene Mönche zu täuschen, was müssen erst die Frauen thun, die so viel Gutes erlebt, gehört und gelesen haben? Wenn eine Frau, die nichts weiß, die so zu sagen nur zweimal im Jahre eine gute Predigt hört, die an nichts anderes zu denken hat, als ihren Lebensunterhalt zu verdienen, in solcher Lage dennoch ihre Tugend zu bewahren versteht, um wie viel mehr muß das erst eine Frau können, die ein behagliches Leben führt und keine andere Beschäftigung hat, als in der Heiligen Schrift zu lesen, Predigten anzuhören und sich zu befleißigen, die Tugend in allen Stücken zu üben? In jenem Falle erst kann man recht erkennen, was echte Tugend ist, die unbewußt im Herzen wurzelt; gerade in den geistig Armen ist die Stimme Gottes am kräftigsten. In der That ist auch am bedauernswerthesten die Frau, die nicht sorgfältig den Schatz hütete, der ihr wohlbewahrt so viel Ehre, preisgegeben so viel Schande bringt.« Longarine sagte hier zu ihm gewandt: »Mir, lieber Guebron,[43] scheint doch nicht eine besondere Tugend dazu zu gehören, einen Mönch abzuweisen, ich würde es vielmehr für ein unmöglich Ding halten, einen solchen zu lieben.« Guebron antwortete: »Frauen, die nicht so hochstehende Freunde haben, wie Ihr, Longarine, halten die Mönche nicht für zu niedrig; sie sind ebenso schön und kräftig, wie wir, und außerdem führen sie kein so abgehetztes Leben wie unsereiner, sprechen im Uebrigen wie die Engel und können zudringlich sein wie die Teufel. Frauen also, die, wenn es hoch kommt höchstens einmal einen Edelmann von ferne sehen, sind schon ganz tugendhaft, wenn sie sich nicht mit Mönchen einlassen.« »Nun, Ihr mögt sagen, was Ihr wollt«, nahm hier Nomerfide das Wort, »ich hätte mich eher in den Fluß geworfen, als – –« Hier unterbrach sie Oisille mit den Worten: »Könnt Ihr denn so gut schwimmen?« Nomerfide nahm diese Bemerkung übel, weil sie meinte, Oisille bezweifle die Wahrheit ihrer Worte. Sie sagte deshalb zornig: »O, es hat schon manch Eine angenehmere Leute als einen Franziskanermönch zurückgewiesen und es nicht gleich an die große Glocke gehängt.« Oisille lächelte über ihren Zorn und sagte: »Ebensowenig aber läßt man es gerade in den Straßen ausposaunen, was man gethan und gewährt hat.« Parlamente wollte weitere Bemerkungen verhindern und sagte deshalb: »Ich sehe, daß Simontault gern sprechen möchte, ich gebe ihm deshalb das Wort; denn nach zwei so unerfreulichen Erzählungen thut es noth, daß wir eine zu hören bekommen, um die kein Streit entsteht.« »Ich bin gern bereit«, sagte Simontault, »aber Ihr braucht mich durchaus nicht einen lustigen Erzähler zu nennen, dieser Name gefällt mir garnicht, und um Euch meine Unzufriedenheit zu zeigen, will ich davon sprechen, daß es Frauen giebt, die gegen gewisse Männer und zu gewissen Zeiten sich sehr sittsam stellen, während am Ende ihre wahre Natur zum Vorschein kommt, wie Ihr aus folgender Geschichte ersehen mögt, die sich wirklich zugetragen hat.«

Quelle:
Der Heptameron. Erzählungen der Königin von Navarra. Leipzig [o.J.], S. 41-44.
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