Achtundvierzigste Erzählung.

[331] Zwei Franziskanermönche nehmen in einer Hochzeitsnacht einer nach dem andern den Platz des Ehemanns ein, wofür sie dann hart bestraft werden.


In einem Dorfe in Perigord wurde in einem Gasthaus die Hochzeit eines Mädchens aus dem Ort gefeiert, bei welcher Gelegenheit Verwandte und Freunde um die Wette es sich gütlich thaten. Am Hochzeitstage trafen dort zwei Franziskanermönche ein, denen man das Abendessen auf ihrem Zimmer servirte, da es sich nicht mit ihrem Stand vereinigte, Hochzeiten beizuwohnen. Der Aeltern von beiden nun, ein herrschsüchtiger und böswillige Mann, überlegte, wie er, da er an dem Gelage nicht Theil haben solle, an dem Ehebett Theil haben und ihnen einen Streich spielen könnte. Als es Abend geworden war und der Tanz begonnen hatte, betrachtete der Mönch durch ein Fenster lange die Braut, die er sehr schön fand und die ihm sehr gefiel. Er erkundigte sich genau bei dem Kammermädchen, in welchem Zimmer sie die Nacht zubringen würde, und fand, daß es ein dem seinigen sehr naheliegendes sei. Er war darüber sehr froh und paßte, um seine Absicht auszuführen, genau auf, bis er sah, daß die Braut fortgeführt wurde und die alten Frauen, wie es Gebrauch ist, sie heraufführten. Da es noch sehr früh war, wollte der Bräutigam den Tanzsaal noch nicht verlassen, tanzte vielmehr so eifrig weiter, daß er seine Frau ganz vergessen zu haben schien. Anders war unser Franziskaner. Sobald er hörte, daß die junge Frau zu Bett gebracht war, entledigte er sich seiner grauen Kutte und nahm den Platz des Mannes ein. Aus Furcht aber, dort gefunden zu werden, blieb er nicht allzu lange, sondern ging ans Ende eines Ganges, wo sein Genosse war und für ihn aufpaßte; dieser machte ein Zeichen, daß der Bräutigam noch tanze, und da er seine verwerfliche Begierde noch nicht befriedigt hatte, begab auch er sich nun zu der jungen Frau, bis sein Genosse ihm bedeutete, daß es Zeit sei, sich davon zu machen. Der Mann kam nun zu seiner Frau, die von den Mönchen sehr mitgenommen worden war, so daß sie nur nach Ruhe verlangte; sie sagte deshalb: »Willst Du denn garnicht schlafen und mich[332] endlich in Ruhe lassen?« Der arme Ehemann, der eben erst ankam, war sehr erstaunt, da er doch garnicht den Tanzsaal verlassen hatte. »Nun, das nenne ich gut tanzen«, sagte die arme Frau, »das ist nun das dritte Mal, daß Du zu mir zurückkehrst; mir scheint, Du thätest besser, Dich nun schlafen zu legen.« Als der Mann dies hörte, gerieth er in nicht geringes Erstaunen und ließ also, um erst zu hören, was vorgefallen war, sich alles genau erzählen. Als sie ihm den Sachverhalt berichtet hatte, kam ihm gleich der Verdacht, daß die Franziskaner es gewesen seien, die nebenan gewohnt hatten; er erhob sich sofort und ging in das anstoßende Zimmer. Als er sie nicht mehr traf, rief er so laut nach Hülfe, daß alle seine Freunde herbeiliefen, welche, nachdem er ihnen alles mitgetheilt, mit Lichtern, Laternen und allen Hunden des Dorfes ihm behülflich waren, die Mönche zu suchen. Als man sie in den Häusern nicht fand, durchforschten sie die Umgegend, und man fand sie in den Weinbergen, wo nach Gebühr Vergeltung an ihnen geübt wurde. Denn nachdem sie sie weidlich geschlagen hatten, schnitten sie ihnen Arme und Beine ab und ließen sie in dem Weinberg unter dem Schutz der Venus und des Bacchus, deren Lehren sie besser befolgten, als die des heiligen Franziskus.

»Wundert Euch nicht, meine Damen«, sprach Emarsuitte weiter, »wenn solche Leute, die sich von unserer Art zu leben fern halten, Dinge begehen, deren sich selbst ein Abenteurer schämen würde. Seid auch nicht erstaunt, daß, wenn Gott seine Hand von ihnen nimmt, sie noch Schlimmeres thun; die Kutte macht nicht immer den Mönch, im Gegentheil, der falsche Stolz, den sie daraus ziehen, verdirbt sie oft.« »Mein Gott«, sagte Frau Oisille, »sollen wir denn garnicht aus den Mönchsgeschichten herauskommen?« Emarsuitte antwortete: »Wenn die Damen, Fürsten und Edelleute nicht geschont werden, so scheint mir, dürfen auch diese es nicht übel nehmen, wenn man von ihnen spricht. Denn sie sind größtentheils so nutzlose Menschen, daß man von ihnen nie sprechen würde, wenn sie nicht einmal etwas nennenswerth Schlechtes begingen. Man sagt ja auch im gewöhnlichen Leben, besser Schlechtes thun, als garnichts thun. Auch wird unser Bouquet um so schöner sein, mit je verschiedenartigeren Sachen es angefüllt ist.« Hircan sagte:[333] »Wenn Ihr mir versprechen wollt, mir nicht zu zürnen, so will ich Euch eine Geschichte von zwei in Liebessachen so geriebenen Personen erzählen, daß Ihr den armen Franziskaner entschuldigen werdet, das Gute genommen zu haben, wo er es fand; hier werdet Ihr von einer Frau hören, die genug zu essen hatte, ihre Leckerbissen aber auf ganz besondere Weise suchte.« Oisille sagte: »Da Ihr versprochen habt, die Wahrheit zu sagen, sind wir auch bereit, sie anzuhören; sprecht deshalb frei heraus. Denn das Schlechte, das wir von Männern und Frauen berichten, gereicht nicht nur gerade denen zur Schande, von welchen die Erzählung handelt, sondern, indem sie uns das Elend, dem wir alle unterworfen sind, vor Augen führt, nimmt sie uns nur die Achtung und das Vertrauen an die menschlichen Geschöpfe überhaupt, damit unsere Hoffnung sich auf den einen Vollkommenen allein richte und wende, ohne den jeder Mensch unvollkommen ist.« Hircan sagte hierauf: »Ich will also nun ohne Scheu die Geschichte erzählen.«

Quelle:
Der Heptameron. Erzählungen der Königin von Navarra. Leipzig [o.J.], S. 331-334.
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