Sechsundsechzigste Erzählung.

[411] Von einer vergnüglichen Geschichte, die dem König der Königin von Navarra passirte.


In dem Jahre, in dem der Herzog von Vendôme die Prinzessin von Navarra geheirathet hatte, begaben sich beide, nachdem sie in Vendôme ihre Eltern, den König und die Königin von Navarra, festlich bewirthet hatten, mit diesen nach Guyenne. Auf der Reise kamen sie auch in das Haus eines Edelmannes; dort waren viele schöne, junge Damen, und es wurde so viel getanzt, daß[411] die Neuvermählten einmal ganz ermattet sich in ihr Zimmer zurückzogen und angekleidet aufs Bett legten, wo sie bei geschlossenen Thüren und Fenstern, und ohne noch sonst jemanden in ihrem Zimmer zu haben, einschliefen. Mitten in ihrem Schlaf hörten sie jedoch, daß die Thür von außen geöffnet wurde. Der Herzog zog den Bettvorhang beiseite, um nachzusehen, wer es wäre, da er vermuthete, es sei einer seiner Freunde, der ihn überraschen wollte. Er sah nun eine große, alte Kammerfrau hereinkommen, welche direkt auf das Bett zuging, die Neuvermählten aber wegen der Dunkelheit im Zimmer nicht erkennen konnte. Sie sah sie aber nahe bei einander liegen und begann laut zu rufen: »Du Dirne, Du verworfenes Mädchen, das Du bist! Ich habe Dich schon lange in Verdacht, aber da ich noch keinen Beweis in Händen hatte, habe ich der Herrin noch nichts gesagt. Jetzt ist aber Deine Schlechtigkeit ans Licht gekommen, und ich werde mich hüten, den Mund zu halten. Und Du, Du schlechter Mensch, Du hast in dies Haus Schande gebracht und dieses arme Mädchen verführt. Wäre es nicht aus Furcht vor Gott, ich würde Dich mit Schlägen umbringen, wie Du da liegst. Auf! bei allen Teufeln auf! Du scheinst Dich ja garnicht einmal zu schämen!« Der Herzog und die Herzogin steckten, um sie noch länger in dieser Weise weiter reden zu lassen, die Köpfe in die Kissen und lachten so laut, daß sie nicht sprechen konnten. Als die Kammerfrau nun sah, daß sie trotz ihrer Drohungen gar keine Anstalten machten, aufzustehen und das Bett zu verlassen, trat sie näher heran, um sie vom Bett an den Armen oder Beinen fortzuziehen. Da aber erkannte sie sowohl an den Gesichtern, wie an der Kleidung, daß es nicht die waren, die sie meinte. Nachdem sie nun gesehen, wer es war, fiel sie auf die Kniee und flehte, ihr das Unrecht, sie in ihrer Nachtruhe gestört zu haben, zu verzeihen. Der Herzog von Vendôme war aber mit dem, was er schon gehört hatte, nicht zufrieden und bat die gute Alte, ihm zu erzählen, für wen sie sie gehalten habe. Sie weigerte sich aber dessen. Schließlich aber, nachdem er feierlich versprochen hatte, es nicht weiter zu sagen, er klärte sie, es hätte sich um ein Fräulein aus dem Hause gehandelt, in welches sich ein Schreiber verliebt habe, und daß sie diesem schon lange anflauere, weil es ihr[412] mißfalle, daß ihre Herrin einem Manne ihr Vertrauen schenke, welcher ihr nur Unehre bereite. Dann ließ sie den Prinzen und die Prinzessin, wie sie sie gefunden hatte; lange lachten sie noch über dieses Abenteuer. Obwohl sie nun auch die Geschichte weiter erzählt haben, haben sie doch niemals den Namen der Dame nennen wollen, um die es sich handelte.

»Hier sehet Ihr, meine Damen«, fuhr Emarsuitte fort, »wie die gute Alte, in der Meinung, ein Werk der Gerechtigkeit zu thun, fremden Fürstlichkeiten offenbarte, was selbst die Leute im Hause noch nicht gehört hatten.« »Ich glaube zu errathen«, sagte Parlamente, »welches Haus es war und wer der Schreiber war; er hat schon mehrfach dem Haushalt hochstehender Damen vorgestanden, und wenn er die Gunst der Herrin nicht erhalten konnte, nahm er mit der einer der Fräulein vorlieb. Immerhin war er ein ganz anständiger und achtbarer Mensch.« »Weshalb sagt Ihr immerhin?« fragte Hircan; »gerade in Folge solchen Thuns hielt er sich doch für einen achtbaren Menschen.« Parlamente antwortete: »Ich sehe wohl, daß Ihr die Krankheit und auch den Kranken kennt, und daß, wenn er zu vertheidigen wäre, es ihm an Advokaten schon nicht fehlen würde. Immerhin möchte ich mich nicht in die Hände eines Mannes geben, der seine eigenen Angelegenheiten nicht zu führen verstand, ohne daß die Kammermädchen davon erfuhren.« Nomerfide sagte: »Denkt Ihr denn, daß die Männer sich darum bekümmern, wer es weiß, wenn sie nur an ihr Ziel gelangen? Und wenn auch keiner davon spräche, sie selber würden es doch wissen.« Zornig wandte sich Hircan an sie: »Es ist durchaus nicht nöthig, daß die Männer alles sagen, was sie wissen.« Sie erröthete und antwortete: »Vielleicht nur, weil es ein schlechtes Licht auf sie selbst werfen würde.« »Wenn man uns sprechen hört«, warf Simontault ein, »könnte es geradezu den Anschein haben, als fänden die Männer ein Vergnügen daran, Schlechtes über die Frauen reden zu hören, und ich bin sicher, daß Ihr mich unter diese Männer rechnet. Deshalb habe ich Lust, einmal recht Gutes von den Frauen zu sagen, um nicht immer von allen anderen für einen Spötter gehalten zu werden.« »Ich gebe Euch das Wort«, sagte ihm Emarsuitte, »und ich bitte Euch, Eurem innersten Wesen einmal Zwang[413] anzuthun, um Eurer Pflicht uns und unserer Ehre gegenüber zu genügen.« Simontault erwiderte: »Es ist nichts Neues, von Euch eine tugendhafte That berichtet zu hören, und ich meine, wenn sich eine darbietet, muß man sie nicht verbergen, sondern sie mit goldenen Lettern niederschreiben, damit es den Frauen zur Nachahmung und den Männern zur Bewunderung diene, wenn sie beim schwachen Geschlecht etwas sehen, was sonst bei Schwachheit nicht zu finden ist. Das giebt mir Gelegenheit, Euch zu berichten, was ich den Capitain Roberval und mehrere seiner Genossen habe erzählen hören.«

Quelle:
Der Heptameron. Erzählungen der Königin von Navarra. Leipzig [o.J.], S. 411-414.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Heptameron
Das Heptameron: Novellen
Das Heptameron. Vollständige Ausgabe
Das Heptameron (Die grosse Erzähler-Bibliothek der Weltliteratur)
Das Heptameron