Achtundsechzigste Erzählung.

[417] Eine Frau giebt ihrem Mann spanische Fliegen zu essen, um ein Liebeszeichen von ihm zu erhalten, und bringt ihn damit beinahe ums Leben.


In Pau in Beárn lebte ein Apotheker, der Meister Etienne hieß; derselbe hatte eine wohlhabende Frau geheirathet, eine gute Haushälterin und schön genug, um ihn zufrieden zu stellen. Wie er aber auch die verschiedensten Arzneien ausprobirte, so that er es auch oft mit den verschiedensten Frauen, um von allen Abarten sprechen zu können. Seine Frau quälte das oft so sehr, daß sie alle Geduld verlor; er bekümmerte sich nämlich garnicht um sie, ausgenommen in der heiligen Woche zur Buße. Als eines Tages[417] der Apotheker in seinem Laden war und seine Frau hinter der Thür lauschte, um zu hören, was er spräche, kam eine alte Frau, eine Kundin des Apothekers, die denselben Kummer hatte, wie dessen Frau, und sagte seufzend zum Apotheker: »O weh, mein Bester, mein Freund, ich bin die unglücklichste aller Frauen; ich liebe meinen Mann wie mich selbst und thue nichts anderes, als ihm dienen und ihm gehorchen. Aber alle meine Mühe ist umsonst, denn er zieht die Schlechteste, Gewöhnlichste und Schmutzigste der ganzen Stadt mir vor. Ich bitte Euch nun, mein Bester, wenn Ihr irgend eine Arznei habt, die ihn ändern könnte, so gebt sie mir. Behandelt er mich erst wieder gut, so verspreche ich Euch, nach meinem besten Können Euch dienlich zu sein.« Um sie zu trösten, sagte ihr der Apotheker, er kenne ein Pulver, welches, wenn sie es ihrem Mann in die Fleischbrühe oder in einer gerösteten Brotschnitte wie ein Pulver von Dun gebe, bewirken könne, daß er sich wieder ganz ihr zuwenden würde. Die arme Frau wollte das Wundermittel probiren und fragte, was es sei, und ob sie etwas davon erhalten könne. Er antwortete, es sei nichts weiter, als Pulver von spanischen Fliegen, von denen er einen großen Vorrath habe, und bevor sie sich trennten, zwang er sie, dieses Pulver zu probiren. Sie nahm, soviel sie brauchte, und erwies sich ihm sehr dankbar. Denn ihr Mann, der groß und stark war und nicht zu viel davon genommen hatte, befand sich nicht schlechter dabei und sie besser. Die Frau des Apothekers, welche diese ganze Unterredung mit angehört hatte, dachte bei sich, daß sie dieses Mittels ebenso wie ihre Bekannte bedürfe. Sie paßte auf, an welche Stelle ihr Mann den Rest des Pulvers hinstellte, und nahm sich vor, bei Gelegenheit davon zu gebrauchen. Drei oder vier Tage später, als ihr Mann sich den Magen erkältet hatte und sie um eine gute Suppe bat that sie es; sie sagte jedoch, daß eine mit Pulver von Dun geröstete Brotschnitte ihm dienlicher sein würde. Er befahl ihr nun, ihm gleich eine zuzubereiten und Zimmt und Zucker aus dem Laden zu nehmen. Sie that es, vergaß aber auch nicht den Rest des ihrer Bekannten gegebenen Pulvers, ohne auf Maß und Gewicht zu achten. Der Mann aß die Brotschnitte und fand sie sehr gut. Bald aber spürte er die Wirkung; er wollte bei seiner Frau[418] Beruhigung finden, es war ihm aber nicht möglich. Das Feuer brannte ihn innerlich so sehr, daß er nicht wußte, auf welche Seite er sich legen sollte, und zu seiner Frau sagte, sie habe ihn vergiftet, sie solle ihm sagen, was sie in seine Brotschnitte gethan habe. Sie beichtete ihm die Wahrheit, nämlich, daß sie jenes Wundermittel ebenso nöthig habe, wie ihre gute Freundin. Der arme Apotheker war zu unwohl, als daß er sie anders als mit Schimpfworten strafen konnte. Er jagte sie aber fort und ließ den Apotheker der Königin von Navarra zu sich bitten, der ihm alle Mittel, die ihn nur heilen konnten, eingab. Das war bald erreicht, er tadelte ihn aber heftig, daß er so thöricht sei, anderen den Gebrauch von Droguen anzurathen, die er selbst nicht nehmen wollte, und daß seine Frau ganz recht gehandelt habe, da es sie eben verlange, von ihm geliebt zu sein. Der arme Mann mußte sich also in Geduld fassen und erkannte an, daß Gott ihn mit Recht bestraft hatte, daß er auf ihn den Spott, den er anderen hatte bereiten wollen, zurückfallen ließ.

»Hiernach scheint mir«, fuhr Nomerfide fort, »die Liebe dieser Frau weniger zudringlich als groß gewesen zu sein.« Hircan fragte: »Nennt Ihr das seinen Mann lieben, ihm Uebles anzuthun, nur um Vergnügen aus ihm zu ziehen?« Longarine sagte: »Ihre Absicht war doch wohl nur, die Liebe ihres Mannes, die sie verirrt wußte, wieder zu erlangen; für ein solches Gut giebt es nichts, das die Frauen unversucht ließen.« Guebron sagte: »Immerhin darf eine Frau ihrem Mann nichts zu essen und zu trinken geben, aus welchem Grunde es auch sei, wenn sie nicht aus eigener Erfahrung oder durch Befragen kundiger Leute gewiß ist, daß es ihm nichts schaden kann; Unwissenheit muß man allerdings entschuldigen. Diese ist entschuldbar; denn die Leidenschaft, die am meisten verblendet, ist eben die Liebe, und die am meisten verblendete Frau ist diejenige, welche nicht die Kraft hat, eine große Last mit Seelen' ruhe zu tragen.« »Guebron«, wandte sich Oisille an ihn, »Ihr fallt aus Eurer guten Gewohnheit, um der Meinung Eurer Genossen hier beizutreten. Dennoch giebt es Frauen, welche Liebe und Eifersucht gleich geduldig getragen haben.« »Jawohl«, bestätigte Hircan, »und sogar auf zufällige Art und Weise; denn die Klügsten[419] sind die, welche sich ebenso damit vergnügen, über die Thaten ihrer Ehemänner zu spotten und zu lachen, wie ihre Männer, sie heimlich zu betrügen. Und wenn Ihr mir das Wort gebt, bevor Frau Oisille die heutigen Erzählungen beschließt, will ich Euch eine darauf passende Geschichte erzählen; die Gesellschaft hier kennt die Frau sowohl, wie den Mann.« »Beginnt also nur«, sagte Nomerfide. Hircan erzählte nun lachend folgendermaßen:

Quelle:
Der Heptameron. Erzählungen der Königin von Navarra. Leipzig [o.J.], S. 417-420.
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