10.


Herrmann Börhaave.

[15] Der große Börhaave hatte sich dem Studium der Theologie gewidmet, und schon mehrere Jahre darauf verwendet. Die Gelegenheit, weshalb er es verließ und zur Medicin übergieng, war sonderbar genug. Er fuhr auf einem Schiff, und die Unterhaltung der Gesellschaft lenkte sich auf theologische Streitigkeiten. Man sprach über[15] Spinoza's Grundsätze, und alle schimpften auf die gröbste Art auf Spinoza und verdammten ihn. Börhaave, der bisher keinen Antheil an der Unterredung genommen hatte, äußerte, daß das System doch sehr philosophisch sey, daß es wenigstens eine genauere Prüfung verdiene, und daß man es nicht ungelesen verdammen müsse. Die andern erkundigten sich sogleich nach dem Namen des jungen Menschen, und bey ihrer Ankunft schrien sie ihn überall als den abscheulichsten Ketzer aus. Börhaave entschloß sich auf diese Veranlassung sogleich, die Theologie zu verlassen, und gieng zur Medicin über. Niemals hat wohl eine theologische Streitigkeit wohlthätigere Folgen für die Wissenschaft und die ganze Menschheit gehabt, als diese.


Er erlangte schon bey seinen Lebzeiten einen so großen Namen, daß einst ein Brief aus Indien an ihn ankam, welcher, da man seinen Wohnort nicht wußte, blos die Aufschrift hatte: an den Arzt Börhaave in Europa, und er kam richtig in seine Hände.

Quelle:
[Nebel, Ernst Ludwig Wilhelm:] Medicinisches Vademecum für lustige Aerzte und lustige Kranken [...] Theil 1–4, Frankfurt, Leipzig 1795 (Bd. 1), 1796 (Bd. 2); Berlin, Leipzig 1797 (Bd. 3); Berlin, Leipzig 1798 (Bd. 4), S. 15-16.
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