Zwölfter Auftritt


[665] Vorige. Willibald. Ultra.


ULTRA durch die Mitte. Drum sag' ich, nur offen reden –

WILLIBALD. Da schau, Sigmund, Auf Ultra zeigend. der, den ich als vermeintlichen Nebenbuhler angefeindet hab', der ist mein Freund geworden.

ULTRA. Mich im Verdachte einer Heiratsidee zu haben. Ehestand is Sklaverei und ich bin Freiheit durch und durch – mein Blut ist rote Freiheit, mein Gehirn ist weiße Freiheit, mein Blick ist schwarze Freiheit, mein Atem ist glühende Freiheit –

SIGMUND. Ich bitte, sprechen Sie nicht so laut.

ULTRA. Ich genier' mich nicht. –

SIGMUND. Aber wir müssen uns genieren, Sie zu hören.

WILLIBALD. Da rechts das Kabinett Sr. Herrlichkeit, da links das Büro des Geheimen Herrn Stadtsekretarius, Herrn von Reakzerl Edlen von Zopfen.

ULTRA. Schöne Umgebung, die Sie da haben. Und außer Ihnen sind noch viele Beamte hier?

WILLIBALD. Im Expedite sehr viele –[665]

SIGMUND. In der Registratur noch mehr.

WILLIBALD. Jetzt erst in der Buchhaltung –

SIGMUND. Und beim Magistrat –

ULTRA. Wirklich, ich seh', es ist auch in Krähwinkel alles mögliche getan, um durch übertriebenen Status die Finanzen zu schwächen.

SIGMUND. Wir Subalterne haben sehr kleine Gehalte.

WILLIBALD. Und sehr viele wenn auch unnötige Arbeit.

ULTRA. Aber die, die nichts tun, die ziehen die enormen Besoldungen. Das is woanders auch so, und damit das Enorme ins Himmelschreiende geht, kriegen s' noch Tafelgelder auch dazu.

SIGMUND ängstlich. Wir werden noch brotlos, bloß weil wir mit Ihnen gesprochen haben. Öffnet die Seitentüre rechts und meldet mit einer tiefen Verbeugung. Herr von Ultra.


Ultra tritt in das Kabinett des Bürgermeisters, und Sigmund schließt hinter ihm die Türe.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 665-666.
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Freiheit in Krähwinkel
Freiheit in Krähwinkel
Freiheit in Krähwinkel: Posse mit Gesang in 2 Abtheilungen und 3 Akten / von J. Nestroy (German Edition)