Antritts-Rede,

gehalten zu Leipzig in der Ostermesse 1734.

[45] Donnerstags den 20sten May.


Der Schauplatz wird diesmal was später aufgemacht,

Als sonst geschehen ist. Warum? Mit Vorbedacht.

Gnug, daß er offen steht. Wir danken Euch indessen,

Daß Ihr uns allerseits die Tage nicht vergessen,

Da er verschlossen war. Im Glück Behutsamkeit;

Im Unfall rechter Muth und wahre Redlichkeit,

Ist schon genug für mich. Gehorsam seyn und weichen,

Gehört der klugen Welt. Wie ein vernünftig schweigen

Mehr spricht und reden kann, als wenn ein Plaudrer schreyt,

So heilt den grössten Schmerz, Geduld, Vernunft und Zeit.

Das Glücksrad ist ein Ding von unsichtbarer Grösse

Dem einen hilft es fort, dem andern giebt es Stöße.

Und der sie unverdient zu einer Zeit erhält

Bekömmt zu andrer Zeit, das, was ihm wohlgefällt

Der Trost dient Spöttern zwar zu einem frohen Lachen

Alleine die Natur der gut und bösen Sachen

Ist nur am Ende rein und deutlich anzusehn.


Viel ist bereits vorbey, und viel noch nicht geschehn.

Das, was verflossen ist, das sind ja nur Geschichte

Und was noch kommen soll, das leidet sein Gewichte.

Die Zeit, die Wahrheit macht die Sachen offenbahr,

Und das, was böse scheint, ist öfters gar nicht wahr.

Man muß das Böse nur zu seiner Bessrung brauchen

Da lieget der Gewinn im Herzen vor den Augen.

Und wenn die Ruthe sich vom streichen abgenutzt;

Hat sie ein frommes Kind vollkommen ausgeputzt

Und zur Vernunft gestärkt, ja redlich wohlgezogen

Deswegen bleibt man auch der Ruthe so gewogen.

Nicht, weil sie Ruthe ist, Nein! in der klugen Hand

Verehrt man ihre Kraft; da wird sie erst bekannt

Daß sie sich von sich selbst nicht von der Stelle rühren

Und niemand treffen kann. Sie muß sich lassen führen

Und thut sich selbst mit Weh. Ist der Gebrauch vorbey[45]

So wird sie selber dürr und geht von selbst entzwey.

Der Nutzen ist gemacht: Sie aber wird vergessen.


Nun ist ein Umstand noch recht nöthig zu ermessen.

Kommt, seht uns fleißig an; Ergötzt Euch unsre Pflicht:

Und macht sie Euch noch Ruhm; O! so vergeßt uns nicht

Erfreut Euch über mich. Mein Dank soll Euch zu Ehren

Sich an kein Ungemach und an kein Leiden kehren.

Mein erster Auftritt ist in meinem Trauerspiel

Vielleicht der letzte Schmerz. Jetzt aber brauch ich viel.

Der Schaden ist geschehn. Ihr könnt ihn leichter machen,

Wenn Ihr uns nicht verlasst. Und kriegt Ihr nichts zu lachen:

So wartet! Doch Ihr sucht nichts, als vernünftgen Scherz,

Wo er zu suchen ist, und ehrt ein redlich Herz.

Ihr kennet Kunst und Fleiß. Was hab ich denn zu klagen?

Ich will an dessen statt Euch das zu Ehren sagen:

Daß nur ein Leipzig ist an Klugheit und Verstand.

Habt Dank! Ihr seyd der Welt, und ich bin Euch bekannt.


Quelle:
Friedrich Johann Freiherr von Reden-Esbeck: Caroline Neuber und ihre Zeitgenossen. Leipzig 1881, S. 205.
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