Bittgedicht an Heinrich Reichsgraf von Brühl

[605] Ach! Hochgebohrner Brühl!

hilfft denn kein Bitten nicht?

Und ist denn gar kein Mensch der vor mein Elend spricht?

Was soll ich Arme thun? Soll denn des Müllers wegen

Mein Recht gekräncket seyn? Kann Dich mein Jammer regen?

Ist denn mein Hab und Guth desswegen nicht mehr mein,

Weil es der Müller will? Es jammert einen Stein

Und gleichwohl kan mein Leid doch keine Hertzen rühren

Ach lass Dir dissmahl doch mein Recht zu Hertzen führen

Es sieht das gantze Land alleine nur auf Dich

Mein Recht ist offenbahr, und dennoch soll ich mich

Davon verstossen sehn. Ach! lass Dich doch erbitten

Ich habe ohne Schuld ja schon genug gelitten,

Den Schaden thut mir ja kein Mensch nicht wieder gut

Ich zittre, HErr! davor, und diss mein redlich Blut

Das muss vor Hertzeleid in meinen Adern wallen

Und durch die Augen gehn. Lass nur diss Wort erschallen

Dass ich auf meinen Platz mein Brod behalten kan

Und gieb dem Rath Befehl, es geht ja sonst nicht an.

Weiss denn mein König nicht durch mein vielfältges Klagen

Was mir mit Recht gehört? Du kannst es Ihm ja sagen

Warum vorziehst Du denn? Es stehet ja bey Dir

Den Vortrag frey zu thun, wir alle sind schon hier

Viel hundert Thaler hab ich albereits verlohren

Der Müller, der nur lügt und sich dazu verschworen

Und fest entschlossen hat: mein Untergang allein

Soll seiner Raserey ein FreudenOpfer seyn

Der hintergehet Dich und will es nur erzwingen

Mich um mein Haab und Guth, doch durch Befehl, zu bringen

Denn wenn ich länger nicht zum Spiel Erlaubniss hab

So bringt er mich gewiss dadurch an Bettelstab,

Ich muss, denn Haab und Guth ist an dem Bau gewendet[605]

Nichts ist in meiner Hand, wenn sich die Noth nicht endet

So wird mein gantzes Werck zerrissen und zerstört

Wenn Da nicht für mich sprichst, dass mich der König hört.

Ich bitte Dich zuletzt um des Augustus Nahmen,

Um Seinen kalten Leib von dem die Kräffte kahmen

Die Deine Wohlfurth so vollkommen schön gebaut

Dass man Dich itzo noch zu Seinem Ehren schaut.

Ich bitte dem August der lebet und regieret

Und der an seiner Statt den KönigsZepter führet

Dass Er mir gnädig ist, und mir den SchauspielPlatz

Eröffnen lassen mag. Das ist der grösste Schatz

Den ich erhalten kan, ich will mich nur, mit Ehren,

Als wie ein Unterthan zur Nothdurfft drauf ernehren.

Augustus Nahmen, den Er mir, als König, schrieb

Wird, Hochgebohrner Herr, Dir doch gewiss mehr lieb

Als wie der Müller seyn. Vergieb mir meine Klagen

Ich weiss Dir warlich nun nichts kläglichers zu sagen.

Verzeihe wenn die Noth Gesetz und Eisen bricht.

Sind meine Worte schlecht, vorwirff sie darum nicht

Ich werde Lebenslang Dich ehrerbiethigst ehren

Und Deinen hohen Ruhm, in Demuth, auch vermehren.


Hochgebohrner Herr!

Ew. Hochgebohrn: Excell:

demüthige

Friderica Carolina Neuberin,

Principalin der deutschen Comoedianten


Leipzig

d. 17. Mäy

1734.
[606]

Nimm Hochgebohrner Brühl!

von mir diss leichte Blat

Das leyder! nichts als schon bekanten Inhalt hat

Ich zittre dass ich Dich so sehr damit muss plagen,

Allein was soll ich thun? Ich muss mein Elend klagen.


Quelle:
Die Neuberin. Herausgegeben von Richard Daunicht, Berlin 1956, S. 45.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Cardenio und Celinde

Cardenio und Celinde

Die keusche Olympia wendet sich ab von dem allzu ungestümen jungen Spanier Cardenio, der wiederum tröstet sich mit der leichter zu habenden Celinde, nachdem er ihren Liebhaber aus dem Wege räumt. Doch erträgt er nicht, dass Olympia auf Lysanders Werben eingeht und beschließt, sich an ihm zu rächen. Verhängnisvoll und leidenschaftlich kommt alles ganz anders. Ungewöhnlich für die Zeit läßt Gryphius Figuren niederen Standes auftreten und bedient sich einer eher volkstümlichen Sprache. »Cardenio und Celinde« sind in diesem Sinne Vorläufer des »bürgerlichen Trauerspiels«.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon