8. Der 85. Psalm


Auff die Weise deß 74.

[177] Warumb verstößt du mich, o Herr so gar.


Du hast, o Herr, dein Land zuvor geliebt,

Hast Jacobs Volck erlöset auß den Banden

Und deiner Schar vergeben ihre Schanden,

Die Schuld bedeckt, mit der sie dich betrübt.


Du hast den Zorn von dir weit abgethan,

Es legte sich dein grosser Eyfer nieder;

O Heyland, komm, Gott, tröste ja uns wider,

Nim uns doch auch genädig bey dir an.


Soll nun dein Haß stets brennen Nacht und Tag,

Soll dieser Grimm uns jetzt und immer drücken?

Wilt du uns denn nicht wiederumb erquicken,

Auff daß dein Volck sich deiner freuen mag?


Wir sind ja wol gar kaum Erbarmens werth,

Doch laß dein Recht die Schärffe dißmal sparen

Und lieber noch Genade wiederfahren;

Nim weg die Last, die uns so sehr beschwert.


Ich hoff es selbst zu hören, was Gott nun

Wird seinem Volck und Heiligen versprechen,

Daß Fried und Ruh bey ihnen an soll brechen,

Auff daß sie nicht auß Thorheit Sünde thun.


Doch seine Hülff ist denen gar nicht weit,

Die unverfälscht in seiner Furchte bleiben,

Damit sein Lob mag unter uns bekleiben,

Und unser Land bewohnen jederzeit.


Es wird ein Bund mit Güt und Treu geschehn,

Gerechtigkeit und Fried einander küssen,

Die Warheit wird auff Erden weit entspriessen

Und Billigkeit vom hohen Himmel sehn.
[177]

Der Herr wird auch mit Segen bey uns stehn,

Damit das Land mag sein Gewächse geben;

Gerechtigkeit wird immer bey ihm schweben,

Und für und für in vollem Schwange gehn.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 177-178.
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