9.

[19] Asterie mag bleiben, wer sie wil,

Ich weiß nichts mehr von ihr

Und ihrer Huld, ein sehr viel höher Ziel

Hab ich anjetzt vor mir;

Ich will mich weiter schwingen

Als durch den Erdenkreiß

Und nur alleine singen

Der Tugend Ehr' und Preiß.


Wie selig ist, wer in Vollkommenheit

Der Weißheit sich verliebt,

Die süsse Gifft der schnöden Eitelkeit

Ihn nimmermehr betriebt;

Er weichet von den Wegen

Der Ueppigkeit der Welt,

Darauff zuvor erlegen

Manch freyer kühner Heldt.


Die Schönheit zwar veracht' ich gäntzlich nicht,

Weil sie von oben kömpt,

Das sag' ich nur, daß sie gar leichte bricht

Und bald ein Ende nimpt;

Der rote Mund, die Wangen,

Der schönen Augen Glantz,

Ja alle Pracht und Prangen

Ist wie ein Rosenkrantz.


Wer Tugend liebt, der stirbet nimmermehr,

Er dringt durch alle Noth,

Durch alle Welt erklingt sein Lob und Ehr,

Er bleibt und lebet todt:

Drumb wil ich nichts mehr schreiben

Von zeitlicher Begiehr,

So wird mein Lob bekleiben

Und grünen für und für.


Weg, Venus, weg, du Pest der jungen Zeit,

Ich selbst vergesse mein;

Ich wil jetzt gehn den Lauff der Ewigkeit

Und auff der süssen Pein

Verwirten Bahn nicht wallen,

Die Tugend ist mein Ziel;

Asterie sampt allen

Mag bleiben, wer sie wil.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 19-20.
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