1. An die Deutsche Nation

[3] Der blinden Venus Werck, die süsse Gisst zu lieben,

Und schöne Zauberey, in dieses Buch geschrieben,

Nimb erstlich an von mir, du werthes Vatterland;

Nimb an der Liebe Sach' als meiner Liebe Pfand.

Mein Sinn floch über hoch: ich wolte dir vermelden

Durch Kunst der Poesie den Lauff der grossen Helden,

Die sich vor dieser Zeit den Römern wiedersetzt

Und in dem stoltzen Blut' ihr scharpffes Schwerd genetzt:

Apollo nahm mich an in seine Gunst und Holde,

Vulcanus hatte schon gemacht von gutem Golde

Die Feder meiner Faust; ich war nun gantz bereit

Mit meines Geistes Frucht zu brechen durch die Zeit.

Da kam der Venus Kind, bracht' einen Krantz von Myrten

Vor meine Lorbeerkron', und stieß mich zu den Hirten

In einen grünen Wald, wieß auff ein schönes Bildt;

Die edle Nymph' hat mir Gemüt' und Sinn erfüllt.

In ihren Augen hab ich alles dieses funden,

Was ich mich in diß Buch zu schreiben unterwunden:

Das irrdische Gestirn' hat meinen hohen Geist

In dieses enge Meer der Eitelkeit geweist.

In dieses enge Meer, auff welchem meine Sinnen

Nicht als von Freundligkeit und Liebe dencken können,

Von Lieb' und Freundligkeit; die bittersüsse Pein

Die muste mir anstatt der Heldenthaten seyn.

Ich thue, Asterie, nach deinem Wolbehagen,

Und will dein hohes Lob biß an die Sternen tragen;

So weit der Deutschen Red' und Tugend ist bekandt,

Soll auch dein' Ehr' und Preiß durchdringen alles Landt.[3]

O hohe werthe Seel', in Weißheit außerkohren,

Zum Spiegel weiblicher Vollkommenheit gebohren,

Sey mir mit deiner Gunst und treuen Huld bereit;

Komm, komm und laß uns gehn den Weg der Ewigkeit.

Du Deutsche Nation, voll Freyheit, Ehr' und Tugend

Nimb an diß kleine Buch, die Früchte meiner Jugend,

Biß daß ich höher steig' und deiner Thaten Zahl

Werd' unablässiglich verkünden überall.

Diß Buch ist mein Beginn in Lieb und auch das Ende;

Ein noch gelehrter Werck, zu dem ich jetzt mich wende,

Daß soll mehr als diß Buch so viel mal besser seyn,

Je besser Weißheit ist als Venus süsse Pein.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 3-4.
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