3. Vom Abwesen seiner Liebsten

[5] Werd' ich die Zeit wohl sehn, daß doch der Tag anbreche,

Darinnen ich mein Lieb noch endlich schauen soll?

Ihr Stunden, laufft doch fort, flieg weg als Wasserbäche;

Weil ihr so langsam seyd, so bin ich Traurens voll.

Auff, Morgenröth, auff, auff! spann' an des Phebus Pferde

Und sprich, er solle fort, es sey schon ziemlich spat,

Daß er betrogen werd', und nahe sich der Erde.

Ach Thetis, laß ihn gehn den langen Sommergrad!

Du, Monde, kanstu dich denn also wol verweilen?

Wie lange seet doch der Morpheus Schlaffkraut auß?

Sieh', ob du nicht vermagst, die Sonne zu ereilen

Und einzukommen noch in ihr vergüldtes Hauß.[5]

Ich muß noch manche Stund' in Sorg' unnd Kummer schweben,

Muß noch in Angst und Noth verbringen lange Zeit,

Eh' als der Tag anbricht, darinnen mich mein Leben

Bescheine durch das Liecht der hohen Freundligkeit.

Ach warumb hab' ich doch in mein Gemüt' empfangen

Ihr' unerhörte Zier und Tugend gantz und gar?

Mein Hertze seufftzet stets und brennet mit Verlangen

Und macht mir einen Tag noch länger als ein Jahr.

Als mich das schnöde Glück' auß ihrer Hand gerissen,

Hat es zugleiche mich gerissen auch von mir;

Ich muß mein Hertze nun mit Threnen stets begiessen,

Ich bin nicht bey mir selbst, wann ich nicht bin bey ihr.

Ach, solt' ich sehen nur ihr göttliches Gesichte,

Wie selig weren mir Gedancken, Muth und Sinn!

Ein eintzig Augenblick von ihrem hellen Liechte,

Daß fast die Sternen trutzt, legt alles Trauren hin.

Ach, keme doch die Zeit der hochgewünschten Freuden,

Daß ich erblickte nur den wunderklaren Schein.

Wann aber ich von ihr mich werde müssen scheiden,

Da wünsch' ich weiter dann im Leben nicht zu seyn.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 5-6.
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