§ 12. des Entwurfs eines Preßgesetzes für das Königreich Sachsen

Dieser § lautet wörtlich: »Die verantwortliche Redaktion einer Zeitschrift dürfen nur solche, im Königreich Sachsen wohnhafte männliche Personen übernehmen oder fortführen, welche die zur Stimmberechtigung bei den Landtagswahlen mit Ausnahme resp. der Ansässigkeit und des Zensus erforderlichen Eigenschaften besitzen. – Diejenigen Mitredakteure, welche zwar keine Verantwortung haben, aber in ihrer Eigenschaft als Mitredakteure auf der betreffenden Zeitschrift namentlich mit genannt werden sollen, müssen sich ebenfalls im Besitz dieser Eigenschaften befinden.«

Das ist einfach und verständlich.

Während in unzähligen Gesetzen im allgemeinen von »Personen« oder »Staatsangehörigen« oder gar »Untertanen« die Rede ist und es nun meist dem Brauch und Herkommen überlassen bleibt, ob darunter nur Männer zu verstehen sind oder auch Frauen mit, enthebt uns der vorstehende Paragraph jeder weiteren Frage; es ist hier ausdrücklich von »männlichen Personen« die Rede. Wir loben diese Bestimmtheit und wünschten nur, daß sie sich in allen anderen Gesetzen fände. Denn wir machen uns niemals Illusionen oder verschließen die Augen gegen den Anblick von Tatsachen. Wir wissen, daß die Gleichheit von Männern und Frauen vor dem Gesetz bis jetzt noch nicht existiert, was man auch davon fabeln möge, wir wissen, daß die Gesetze, welche im allgemeinen von »Staatsbürgern« handeln, höchst willkürliche Auslegungen finden in bezug auf die Staatsbürgerinnen, daß diese in dem einen Fall als solche anerkannt werden und mitzählen, im andern hingegen als gar nicht existierend betrachtet werden, und dies alles infolge einer schweigenden Übereinkunft. Ein einziges Beispiel für so Allbekanntes genügt. Wenn es in den Grundrechten hieß: »Jeder Staatsangehörige ist Wähler«, so waren mittelst einer schweigenden Übereinkunft hier unter dem Begriff »Staatsangehörige« die Frauen nicht mitverstanden, während in dem Satz: »Jeder Staatsangehörige ist steuerpflichtig«, die Frauen mit einbegriffen sind und bleiben.

Diese willkürlichen Auslegungen weiß der sächsische Preßgesetz-Entwurf von sich fern zu halten. Hier ist es mit Bestimmtheit gesagt, daß nur »männliche Personen« Redaktionen von Zeitschriften übernehmen und fortführen dürfen. Das ist mindestens deutlich.

Die Frauen sind somit von der Führung von Redaktionen ausgeschlossen, ja sie dürfen nicht einmal sich als unverantwortliche Nebenpersonen bei einer Redaktion mit beteiligen, wie das weiter in dem Paragraph klar ausgesprochen ist.

Diese neue Unmündigkeitserklärung der Frauen ist abgegeben worden von Gesetzgebern desselben Landes, in welchem fast zuerst in Deutschland vor nur beinahe zwanzig Jahren die Frauen als mündig erklärt worden sind, indem ein Gesetz die Geschlechts-Vormundschaft aufhob. Dies war ein Ruhm für Sachsens Regierung nicht minder als für die sächsischen Frauen – wer hätte gedacht, daß wir im Jahre 1850 das Gegenteil davon erleben müßten? – Damals war auf dem Landtag diese Mündigkeitserklärung der Frauen Gegenstand[328] einer lebhaften und glorreichen Verhandlung, jene ziemlich zwanzig Jahr später, aber von einer nach demselben Wahlgesetz erwählten Versammlung erfolgte Unmündigkeitserklärung der Frauen ward schweigend angenommen und ausgesprochen, wie etwas, das sich von selbst versteht. Niemand hat nur ein Wort über die ganze Sache erhoben, sie ward abgetan, wie etwas, das gar nicht anders sein kann.

Oder wäre es keine Unmündigkeitserklärung, wenn man jetzt auf einmal nur Männern ein Recht zugesteht, welches von Frauen immer unangefochten geübt worden, wenn man den Frauen durch ein solches Gesetz sagt, daß sie nicht fähig oder würdig sind für einen Beruf, der ihnen bisher noch niemals und nirgends streitig gemacht worden ist?

Es ist hier weder Ort noch Zeit, sich über den vorliegenden Preßgesetz-Entwurf weiter auszusprechen – die ganze Strenge desselben konnten wir erwarten nach all den Erfahrungen, die wir in dem letzten Jahr gemacht, daß man aber wie in § 12. geschieht, bei so begrenzten Bestimmungen der Eigenschaften, die zu einem Redakteur und Mitredakteur erfordert werden, auch noch den besondern Unterschied von Männern und Frauen macht, hat uns in der Tat verwundert, und zwar ganz einfach nur deswegen, weil so etwas noch nicht dagewesen.

Sachsen, das die Geschlechtsvormundschaft zuerst abschaffte, ist der erste, vielleicht einzige Staat, welcher jetzt den Frauen ein Recht entzieht, das ihnen noch niemals verweigert ward. In den alten, vormärzlichen Zeiten, wo man Konzessionen brauchte zur Herausgabe einer Zeitschrift, redigierte Louise Marezoll zu Leipzig jahrelang den »Frauenspiegel«, während noch viel früher das Stuttgarter »Morgenblatt« – (und zwar, ehe es Wolfgang Menzel herunterbrachte –) unter weiblicher Redaktion war. Der vielen andern Frauen nicht zu gedenken, welche noch in den letzten Jahren Zeitschriften redigierten, z.B. Luise Dittmar, Johanna Kinkel usw. – Daß man auf einmal den Frauen die Fähigkeit sollte absprechen wollen für etwas, das sie immer so geübt, daß diejenigen, die es anging, d.h. das Publikum, damit zufrieden waren – denn sonst hätten diese Blätter unter weiblicher Redaktion ja am Abonnenten-Mangel sterben müssen, so gut wie andere – das können wir kaum glauben – und in diesem Punkt sind wir beruhigt, denn die Bestimmungen über Redaktionen im vorliegenden Preßgesetz sind, wie neulich die »Grenzboten« ganz richtig nachgewiesen, der Art, daß ein gewöhnlicher Handwerker, der weiter nichts gelernt hat, als was sein Fach erheischt, denselben viel eher genügen kann, als ein Gelehrter, der alle Philosophen im Kopfe hat – es kommt alles nur auf die Zufälligkeiten der äußern Existenz an.

In gegenwärtiger Zeit stehen die Sachen so, daß die Entziehung eines bürgerlichen Rechtes noch keine Erniedrigung, noch kein Armutszeugnis ist – aber zu beklagen ist es immer.

Wenn das sächsische Preßgesetz den Frauen verbietet, Redaktionen zu führen und sich überhaupt dabei näher zu beteiligen, so wird mit diesem Rechte, das sie bisher besaßen, ihnen auch – wie fast mit jedem Rechte – noch ein »Recht auf Arbeit« mehr entzogen, womit es bei ihnen im Vergleich mit den Männern ohnehin schlecht genug steht – und wenn alle jene, welche in ihren Erwerbsinteressen durch das neue Preßgesetz gestört und gehemmt werden, sich darüber beklagen, wie z.B. die Kommissionsbuchhändler, die Buchdrucker, die Verleger von Provinzial-Blättern usw. getan, so haben wahrscheinlich die Frauen nicht viel weniger Grund dazu.[329]

Jene Bestimmung des § 12., die »männlichen Personen« betreffend, ist allen so unerwartet gekommen, daß sie darüber fast von den meisten Lesern des Preßgesetz-Entwurfes ganz übersehen worden ist – man hat schnell darüber hinweggelesen und gar nicht gefühlt, welche Beleidigung und Zurücksetzung eines ganzen Geschlechts in dieser Bestimmung liegt. Erst den Betroffenen wird sie fühlbar werden. Die Betroffenen werden aber nicht nur die wenigen Frauen sein, die eine Redaktion führen oder führen möchten, sondern die vielen, Männer und Frauen, welche eine Zeitschrift lasen, die von keiner »männlichen Person« redigiert ward, und welche für die Rechte der Frauen mitkämpfend oder sie wenigstens selbst anerkennend nur erst plötzlich gewahr werden – wie sehr hinter ihren Träumen, Wünschen und Hoffnungen von allgemeinen Menschenrechten man in einem Staate zurück ist, in dem man solchen Tatsachen begegnet.

L.O.

Quelle:
»Dem Reich der Freiheit werb’ ich Bürgerinnen«. Die Frauen-Zeitung von Louise Otto. Frankfurt a.M. 1980, S. 315-316,328-330.
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