III. Die Frivolen oder Unsittlichen

[210] Die Frivolen oder Unsittlichen möchten teils die Demokratie zum Deckmantel eines wüsten Lebens brauchen, teils meinen sie sogar zu solchem Leben als Demokratinnen berechtigt zu sein.


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Es ist hier nicht der Ort, näher darauf einzugehen, wohl aber ist er's, darauf hinzuweisen, daß, weil der Kampf der Demokratie, d.i. der Kampf für die allgemeine Volkswohlfahrt, für die neue sittliche Weltordnung – die Sittlichkeit hoch über die Sitte stellt und diese von jener abhängig machen will, statt daß es jetzt so vielfach umgekehrt der Fall ist: so finden die Frivolen darin einen passenden Vorwand, jede Sitte, die ihnen einigermaßen unbequem ist, beiseite zu setzen und zu tun, was ihnen eben beliebt, ohne wie es die wahre Demokratie verlangt, nach dem Richterspruch höherer Sittlichkeit zu fragen. Diese Unsittlichen finden wir freilich auch bei allen Ständen und bei allen Parteien, so gut wie die Forcierten, aber während das Laster, z.B. bei einer ultramontanen Aristokratin noch den eleganten Schein eines gewissen äußern Anstandes bewahrt, tritt eben diesen gerade die frivole Demokratin absichtlich mit Füßen und ist noch imstande, mit ihrer Gemeinheit zu prunken und einer schamlosen Handlung noch einen schamlosen Scherz hinzuzufügen. Freiheit mit Frechheit zu verwechseln war immer die Art innerlich gemeiner Naturen, mögen dieselben nun in einer Mannes- oder Weibesbrust wohnen.


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L.O.
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Quelle:
»Dem Reich der Freiheit werb’ ich Bürgerinnen«. Die Frauen-Zeitung von Louise Otto. Frankfurt a.M. 1980, S. 210-211.
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