An Gabriele Sch.

[88] In der Brust die Schmerzenwunde,

Die dein Scheiden mir geschlagen,

Lasse in tiefnächt'ger Stunde

Mich an deinem Sarge klagen.


Laß in deinem Angesichte

Wiederfinden mich den Frieden

Und den Strahl aus höh'rem Lichte,

Der mit dir von uns geschieden! –


O in welchem Schönheitsglanze

Liegst du da auf deiner Bahre,

Mit dem hellen Blüthenkranze

In der Lenznacht deiner Haare! –
[89]

Mit den Blumen, die sich fügen

Bunt zum Strauß und Düfte fächeln,

Mit dem Ernst auf deinen Zügen

Mit dem heil'gen Siegeslächeln!


Nimmer, nimmer werd' ich's fassen!

Dich, du Lieblichste von Allen,

Konnte dich das Leben lassen?

Durftest du dem Tod verfallen?


Ja er hält dich nun umgittert,

Tief und still, du Sondergleiche!

Und der Deinen Glück, zersplittert

Sank es hin an deiner Leiche!


Ach! und zu den Deinen zähle

Ich, die Qual- und Schmerzentbrannte,

Selber mich und jede Seele,

Welche, Engel! dich erkannte. –


Heimgeschifft zum Vaterhause

Bist du in dem dunkeln Nachen –

Schlummre denn in deiner Klause!

Ewig wird die Klage wachen.
[90]

Für ein Herz, dem du entrissen,

Giebt's nur einen Trost, nur einen

Für so schmerzliches Vermissen,

Und er heißt: um dich zu weinen!

Quelle:
Betty Paoli: Gedichte. Pest; Leipzig 21845, S. 88-91.
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