Bewältigung

[75] Und weil ich einst in dunkelsel'ger Stunde

Dir weihte meines Lebens Lust und Gram,

Weil gottbegeistert ich von deinem Munde

Der Liebe süß bestrickend Wort vernahm,


Weil meine Brust an deiner hat gelegen,

Weil einst dein Haupt geruht in meinem Schooß,

Und weil als frommer, heil'ger Liebessegen

Auf deine Stirne meine Thräne floß;


Weil du verstanden meiner Pulse Beben,

Weil einst mein Kuß geglüht auf deiner Hand,

Weil ich ein Theil einst war von deinem Leben

Und weil du mich einst deine Braut genannt: –
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So wird fortan in allen künft'gen Tagen

Hoch über allem Schmerz und aller Lust,

Dein Bild als ew'ge Pyramide ragen,

In der Sahara meiner tiefsten Brust.


Wohl oft verhilft der Zeit zu grausen Siegen

So manches Herz durch schnöden Selbstverrath;

Doch meines wird ihr nimmer unterliegen –

Es hat mehr Flammen, als sie Asche hat!


Wohl oft erstirbt an bittrer Nichterhörung

Die Liebesglut in einer Thräne Naß;

Doch meine lebt gesichert vor Zerstörung,

Denn noch viel stärker ist sie, als dein Haß!

Quelle:
Betty Paoli: Gedichte. Pest; Leipzig 21845, S. 75-77.
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