Erklärung

[22] Nimm die Lieder, seelentflossen,

Nimm die Thränen, heißvergossen,

Nimm die Seufzer, bang' und trüb,

Nicht für thörichte Beschwörung

Um Erwied'rung und Erhörung

Meiner Lieb!

Wandle fort auf Deinen Bahnen!

Folge den mir fremden Fahnen!

Wär' die Macht, die mir gebricht,

Mein, zu einen unsre Loose,

Glaub', mein Herz, das stolze, große,

Thät' es nicht.[23]

Müßte mich nicht Scham durchdringen,

Wollte ich erfleh'n, erzwingen,

Was mir frei nicht wird gewährt?

Nichts will ich dem Herzen gelten

Das den Kern nicht seiner Welten

In mir ehrt!

Geh denn hin! vergiß auf immer

Wie du einst bei Sterngeflimmer

Mich als Deine Braut gegrüßt,

Wie mir Seel' und Sinn zusammen

Von der Liebesworte Flammen

Wund geküßt!

Wie – genug! du sollst vergessen,

Daß Du jemals mich besessen,

Daß ich war und daß ich bin!

Sollst verwandeln mich zum Traume,

Der aus erdenfernem Raume

Dir erschien!

Sollst in meiner Lieder Chören

Nicht die Menschenstimme hören,[24]

Nur den Gruß der Leidenschaft,

Welt und Schmerz und Tod bezwingend,

Aus dem Jenseits zu dir klingend

Geisterhaft.

Quelle:
Betty Paoli: Gedichte. Pest; Leipzig 21845, S. 22-25.
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