Probatum est

[28] Wenn dich bittres Weh durchfuhr,

Trachte dann, eh' dich's bezwungen,

Zu verfolgen seine Spur

Bis zum Quell, dem es entsprungen.


Findest du dann, daß der Gram,

Störend deiner Nächte Schlummer,

Von dem Schicksal zu Dir kam,

So bezwinge deinen Kummer.


Denkend, daß des Schicksals Witz

Neu will sein an jedem Morgen

Und daß drum ein gleicher Blitz

Künftig nicht mehr zu besorgen.
[29]

Wohl verschieden ist der Fall,

Doch nicht größer sei die Beugniß,

Nennt dich Ursach Deiner Qual

Deines Geist's wahrhaft'ges Zeugniß.


Suche dann ohn' Ruh' und Rast

Deinen Fehler zu entdecken;

Wenn du ihn gefunden hast,

Wirf hinaus den dunkeln Flecken!


Kämpfe, bis, was dich bethört,

Du besiegt und überwunden.

Ist sein böser Keim zerstört,

Ist das Unglück bald verschwunden.


So kannst du in jeder Art,

Hoffend glauben, daß das Leiden,

Trübend Deine Gegenwart,

Deine Zukunft werde meiden.

Quelle:
Betty Paoli: Gedichte. Pest; Leipzig 21845, S. 28-30.
Lizenz:
Kategorien: