8.

[214] Ein's hab' ich heut gefühlt auf meinem Abendgang,

Als Frühlingsahnung mich beseligend durchdrang.


Wo ihren Scheidegruß die Sonne niederstrahlte,

Wo sich im tiefen Strom des Himmels Klarheit malte,


Wo mir begegnete manch fröhlich Angesicht,

Befried'gung auf der Stirn, im Auge heitres Licht.
[214]

Im Lächeln der Natur, im Lächeln jener Mienen

Ist meiner Zukunft Bild hold tröstend mir erschienen.


Denn als so mild der West das Antlitz mir gekühlt

Und fremde Lust mich hob, da habe ich gefühlt:


So lange noch ein Lenz mit seinem Blumenstabe

Das Leben blühen macht und Zier bringt selbst dem Grabe;


So lang die Sonne noch erglänzt am Firmament,

So lang am Horizont ein einz'ger Stern noch brennt;


So lang ein Grün noch keimt, so lang noch Wasser rauschen

Und Vögel singen noch, auf deren Lied zu lauschen;


So lang ein Menschenaug' noch strahlt im Freudenschein: –

So lange wird mein Herz nicht gänzlich elend sein.

Quelle:
Betty Paoli: Gedichte. Pest; Leipzig 21845, S. 214-215.
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