Versprechen

[114] Klingen trüb jetzt meine Lieder,

O so habt mit mir Geduld!

Kehren bess're Zeiten wieder,

Will ich zahlen alte Schuld.


Wollt den Baum ihr niederhauen,

Weil der Herbstwind ihn entlaubt,

Und des Winters böses Grauen

Ihm die Blüthenzier geraubt?


Nein! ihr laßt ihn hoffend stehen,

Um ihn einst zur Lebenszeit

Wieder neugeschmückt zu sehen,

Schattig, blüthenüberschneit.
[115]

Und die ihn geduldet haben,

Ehrt der Baum mit frommem Sinn,

Legt dann dankbar seine Gaben

Gern zu ihren Füßen hin.


Also steh auch ich entblättert,

Von des Unglücks rauhem Nord,

Von dem Blitzstrahl fast zerschmettert,

Der mich traf in einem Wort.


Doch es werden Zeiten kommen,

Wo das Herz mir wieder frei,

Und zu heitrem Sang verschwommen

Meiner Seele Jammerschrei.


Wo nach Winters Finsternissen

Mir erblüht ein Frühlingstag,

Wo ich werd' zu singen wissen,

Wie ich jetzt nur weinen mag.


Und von froher Lieder Blüthe

Werde dann die Stirn umrauscht

Derer, die mit stiller Güte

Meinem Schmerzensang gelauscht.

Quelle:
Betty Paoli: Gedichte. Pest; Leipzig 21845, S. 114-116.
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