32. Von dem Unglück / das sich zu Delft den 12. Octobers / Anno 1654. mit den Feuer zugetragen / welches in den Pulver-Thurm kam.

[123] Grosser GOtt! deine Macht ist unendlich / und deine Gerichte sind unerforschlich! doch giebet es so verwegene Leute / die sie ergründen wollen / du machest die Natur beben / du zerschlägest[123] sie mit deinem Donner /und legest sie im Staub: Jedoch giebet es so Gottlose Leute / die in ihrem Unglauben verstockt sind / verlaugnen dein Göttliches Wesen / und wissen nichts /als das ihrige! Sie sind taub zu dem Krachen des Donners / und blind zu der Würkung deines mächtigen Arms / und zu den Wunder-Wercken / die du täglich thust. Ungehindert so vieler Erinnerungen deines Zorns / saget der Narr in seinem Hertze: Es ist kein Gott! Du hast unsere Waffen gesegnet / unser Land mit Handel und Wandel genehret / du hast uns einen rühmlichen Frieden gegeben / und fruchtbare Jahre beschehret; Aber damit zeigest du / daß alle diese Güter nicht von unserer menschlichen Witze und Macht herkommen / damit unsere Undanckbarkeit gestrafft werde: Du befiehlest dem Meer / daß es aus seinen Schrancken komme / uns zu erschröcken / und uns zu lehren an dich gedencken / du befihlest den Flüssen / daß sie aus ihrem Ort lauffen / deinen Befehl zu verrichten.[124] Der Englische Krieg ist vorbey /und die Mißverständnüssen sind in Holland gestillet /wir sind in unsern Wollüsten wieder eingeschlaffen /aber du hast uns wieder aufgewecket / mit einen von den allergefährlichsten Donnerschlägen / die man jemahl in Holland gehöret. Ich sage ein Schlag / der Holland erschütteret / davon ich kürtzlich reden / und mich nicht aufhalten will / woher er kommen.

An einem Montag frühe / ungefähr umb halb zehen Uhren / kam das Feuer in die Pulver-Kammer / welche die Geheimnus von Holland genennt worden /darinn aufs wenigste 70. in 80000. Pfund Pulver waren / das gabe solch einen Donnerschlag / daß die in der Stadt glaubeten / welche nicht beschädigt wurden / der Jüngste Tag wäre kommen. Die jenige / welchen die Macht des Pulvers bekannt ist / werden besser verstehen / als mans beschreiben kan / was dieser schröckliche Schlag für Schadē gethan. Eine belägerte Stadt / darein man viel Feuer-Kugeln wirffet /[125] kan nicht mehr verderbt werden / als der Stadt Delft durch diesen grausamen Schlag geschehen. Gantze Gassen sind von Grund aus umgeworffen worden / unn sind wenig Häuser / die ihn nit gespüret habē / entweder an den Gläsern oder Tächern. Die Kirchen selbst sind nicht ausgeschlossen geblieben. Die Burger sperreten sich in ihre Häuser / und erwarteten der Zukunfft unsers HErrn. Etliche lieffen untereinander auf der Gassen / fragten / was dann geschehen sey: Andere giengen aus der Stadt / voller Furcht und Schrecken. Als man aber gesehen / daß das Magasin gesprungen /und man ein wenig wieder sicher worden: Da fienge jederman an sein und seiner Freunde Verlust zu beklagen. Man hörte das Geschrey der jenigen / die fast unter den eingefallenen Steinen begraben waren / die hatten gebrochene Arm und Bein / und rufften die Nachbarn um Hülffe. Ich will nit alles / was passiret ist / noch auch das Heulen und Weinen der armen Beschädigten erzehlen; Ich will nur sagen[126] mit Verwunderung / daß etliche auf dem Wall waren / die in die Höhe geflogen / und doch lebendig geblieben. Aber das jenige / was über alles Wunder ist / war ein kleines Kind von ungefehr fünff Viertel Jahren alt / das auf seinem Stuel gefundē wurde unter den Steinen /vier und zwantzig Stunden hernach mit einem Apffel in der Hand / und war nicht beschädiget / dasselbe sahe mit lachendem Gesicht die jenige an / die es errettet. Was noch mehr ist / schwangere Weiber wurdē 24. Stund hernach aus diesem Geträng herfür gebracht / welche sich wohl befunden / und ihrer Frucht entbunden worden. Die Zahl der Todten ist ungewiß /der Verwundten sehr groß / die Spitäl wurden voll davon / und wurden alle mit Lieb und Versorgnus gewartet. Man kan nicht errathen / woher dieses Unglück gekommen / und was man alles davon geredt /war nur aus Muthmassung. Der Diener / welcher das erste mahl da war / kame nicht wieder heraus / und wurde mit dem Thurm[127] fortgeführet / an dessen Stelle man jetzund nichts als einen Brunnen und Koth findet. Jederman kam aus Fürwitz hin / daß man kaum durch die Gasse gehen kunte / das Mitleiden bewegte die Liebe / daß man den gequetschten zu hülffe kommen. Seither den Münstrischen Frieden sind viel Feuersbrunsten / Wassergüsse / und Unglück von Pulver-Thürnen gewesen / als zu Venedig / Copenhagen /Delft und Grevelingen.

Ingleichen Wassergüsse / als Vorboten des Zorn Gottes. Die Geistlichen schreiben diese Unglück unsern Sünden zu: Die Politici natürlichen und ungefähren Ursachen / der Pövel machet eine Prophezeyung daraus entweder eines Kriegs / od' sonst eines traurigen Zufalls. Der grosse Gott / der alles regieret /züchtiget uns nicht / daß Er uns nicht zuvor die Ruhte zeige. Lasset uns wachen mit beten / damit wir mit dem Bräutigam in sein heiliges Reich eingehen /Amen.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 123-128.
Lizenz:
Kategorien: