Von Schimpff das 520.

[298] Wie ein Bürin die Eyer zerbrach.


Ich můß euch sagen, lieben Kind, wie es mir ergangen ist. Es war ein Bürin in einem Dorff N. Die sprach zů ir Dochter: ›Nim die Eyer und bring sie meinem Beichtvater für seine Ostereyer, dem Leßmeister zů den Barfůssern! Ich hab ein Predig oder fier von im gehöret und bin wol darvon gebessert worden. Er würt unß den Passion auch predigen zů Kolmar uff dem Blatz.‹ Die Dochter sprach: ›Ja, ich wil es gern thůn. Aber Můter, ich het ein grose Bit an dich zů thůn.‹ Die Můter sprach: ›Was ist es?‹ Die Dochter sprach: ›Ich wolt, das du mir gündest, unsern grosen Milchhafen zů verkauffen, und das ich ein nüw Par Schů darumb kaufft mit weissen Örten dem Palmesel zů Eren. Unsers Fogtz Sun gat mir nach und begert mich zů den Eren. Ich wil darnach noch als willig sein den Stal zů misten.‹ Sie sprach: ›Es ist mir lieb. Lůg aber zů, das dem Herren die Ostereyer werden! Ich hab sie im zůgesagt zů geben.‹

Die gůt Dochter nam den Milchhafen und für mit zů Marckt, und sie was zů frü dar kumen und satzt sich also an ein Muer, und het den Milchhafen für sich gesetzt und het die Eyer verdeckt, das man sie nit feilscht und das sie also entschlief. Und da sie also schlieff, da traumpt ir, wie sie in des Schůmachers Huß wer und der Schůhmacher legt ir die Schůh an, und wie sie den Schenckel also strackt, das ir der Schů glat anleg, da stoßt sie den Hafen mit der Milch umb und verschüttet die gar. Und da sie erwacht, da ward sie zornig und warff den Hafen an ein Muer und erwist den Korb mit den Eyern und wil in mir bringen. Und so sie zů den Stapflen kumpt, so falt sie; dan sie was noch schlafftruncken, sie het noch nit genůg geschlaffen, und sein ir die Eier alle zerbrochen. Darumb so stüren unß ander Eyer!

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 298.
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