Der Reiger

[146] Ein Meister in der Fischerey,

Ein Reiger, welcher nur Forellen

Und Aale fraß, stund einst im May,

Itzt Wonnemond, um Wild zu fällen,

Vor Phöbus auf. Der Sybarit

Sah zwanzig Hechte, Karpfen, Schleyen

Vorüber ziehn: sein Appetit

Verschmähte diese Lumpereyen.

Inzwischen treibt der Sonne Lauf

Der Fische Schwarm in ihre Zellen

Und der Corsar bringt statt Forellen,

Zwo Kressen und ein Krebschen auf.

Er wirft sie weg, wühlt einem Aale,

Den er erblickt, im lauen Bach

Erbost mit seinem Schnabel nach;

Allein umsonst, vom Mittagsstrahle

Verbrannt, vor Schwäche halb entseelt

Und von des Hungers Wuth gequält

Muß er am Ende sich bequemen,

Mit einem Frosch vorlieb zu nehmen.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 3, Tübingen 1802, S. 146-147.
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