Der Stern

[113] An den Freyherrn Joseph von Beroldingen.


Der Thiere Großherr starb. Die hohe Facultät

Vereinte sich, um seine Majestät

Nach Standsgebühr zu balsamieren.

Man schnitt den Leichnam auf. Doch, welch ein Phänomen!

Man fand kein Herz. Die Aerzte disputieren

Sich braun und blau; Hippokrates, Galen

Und Avicenna siegt: die Herren demonstrieren

Das Gegentheil von dem, was sie vor Augen sehn,

Und streichen sich den Bart. Den Unfug zu vermeiden,

Verbot der junge Schach aus weiser Politik

Der Fakultät bey Knut und Strick

In Zukunft die Monarchen auszuweiden;

Und ließ auf allen Fall sich an des Herzens Platz

Auf seinen neuen Purpurlatz

Ein Supplement von Silberfaden sticken.

Sein Sohn umgab das Ding mit einem Strahlenkranz.

Sein Enkel wandelte, vielleicht aus Ignoranz,

Vielleicht aus bloser Lust zu flicken,[114]

Das abgenutzte Herz in einen Stern.

Und so entstand der Klecks, womit die großen Herrn

Sich noch auf diesen Tag den leeren Busen schmücken.


Heil denen Freund! die weder Stuhl noch Band

Erhöhen kann, die uns, wie du, durch Thaten sagen,

Daß sie ein Herz fürs Vaterland

Und für die Freundschaft in sich tragen.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 3, Tübingen 1802, S. 113-115.
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