Die Turteltauben

[9] An Doris.


Ein paar Turteltauben saß

Brust an Brust im bunten Gras.

Plötzlich hört es nah im Hayn

Einen Todtenvogel schreyn.


Aengstlich sahen beyde sich

Steif ins Auge. »Ruft er mich?«

»Ruft er dich?« – »O Götter, nein

Lasset mich das Opfer seyn!«


Also stritten sie vertraut

Und ihr Busen klopfte laut,

Als ein Weyh, die Pest der Flur,

Schnell auf sie herunterfuhr.


Kinder, ey was zankt ihr euch? –

Besser ists, ihr sterbt zugleich,

Spottet er mit bittrer Wuth

Und verspritzt ihr edles Blut.
[10]

O wie gut, wie gut bist du,

Röchelt ihm der Gatte zu:

Freund, o scharre mein Gebein

In den Sand mit ihrem ein!


Weinend hört der Vater Pan

Dieses letzte Wort mit an;

Jagt dem Weyh die Leichen ab

Und baut ihnen selbst ein Grab.


Doris hörst du das Gebet,

Das mein Herz zum Himmel fleht?

Ja, du hörst es; – leise sprach

Oft dein Herz es meinem nach.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 3, Tübingen 1802, S. 9-11.
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