Die Unsterblichkeit

[89] Der Esel Bileams starb alt und lebenssatt.

Sein grauer Schatten kam auf das Gestirn zu wohnen,

Wo sein Geschlecht schon seit Aeonen

In bunten Thälern seinen Limbus hat.

Kaum sah der Brüder Chor den Klepper des Propheten

Aus Syrien, so rief die ganze Schaar:

Heil dir! auf unserm friedlichen Planeten,

Du, welchem das Talent im Ernst vergönnet war,

Das uns die Laune der Poeten

Im Scherze borgt, und das uns nur

Das Schattenreich gewährt. Trophäen und Altäre

Erwarten dich schon lang auf dieser Flur.

Ihr Herren, sprach der Gast, erweist mir zu viel Ehre:

Ich strebte nie nach hohem Ruhm,

Auch kostet mich mein Heldenthum

Drey baare Rippen. Ha, bey meinen Ohren!

Das Loos des Esels ist die Dunkelheit:

Wer in den Tempel der Unsterblichkeit

Geprügelt werden muß, ist nicht dafür geboren.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 3, Tübingen 1802, S. 89-90.
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