Der Wolf und der Löwe

[120] Aus eines Sultans Park entkam

Ein Löwe, der mit raschem Schritte,

Voll edlen Trotzes, wie ein Britte,

Den Weg nach einer Wildniß nahm.

Ihn lud ein Wolf in seine Höle,

Auf einen fetten Hammel ein,

Und rief bey Tische: Freund erzehle,

Wie lebt man in des Fürsten Hayn?

Man wird sprach er, mit Fleisch gefüttert,

Man schläft auf einer Streu von Moos,

Der Wald ist tausend Ruthen groß,

Allein mit starkem Erz vergittert.

Wie glücklich, Vetter, war dein Loos,

Versetzt der Wolf; bey meinem Leben;

Will man ein Schaf mir täglich geben,

So sperre man mich in den Hayn

Des Sultans diese Nacht noch ein.

Der Gast fuhr auf und rief entrüstet:

Den pisse Haas und Esel an,

Der die Despoten fliehen kann

Und sich mit ihren Fesseln brüstet.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 1, Tübingen 1802, S. 120-121.
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