Aglae

[23] Was Chloe doch wohl brauchen mag,

Um immer so zu blühn,

Wie kaum am schönsten Frühlingstag

Aurorens Wangen glühn?


Ich bin so weiß, und weißer noch

Als sie, doch nicht so roth;

Und ohne Rosen sind ja doch

Die Lilien zu todt.


Heut schien mirs, daß ihr Tityrus

Sie röther noch geküßt;

Da fiel mir ein, ob nicht ein Kuß

Das Zaubermittel ist.


Flugs ließ ich meinen Bruder mich

Derb küssen, lief zum Teich

Und sah hinein; doch bleich war ich,

Und blieb auch leider bleich.


Muß nicht vielleicht ein fremder Mund ...

Ja, ja, das wird es seyn!

Still! dort kömmt Hylas aus dem Grund;

Soll ich? – Wohlan! – Doch nein! –
[24]

Ey was! ich weiß, er wird es thun;

Er ist der beste Hirt:

Jüngst bracht er mir mein falbes Huhn,

Das sich im Wald verirrt.


Hm! hm! er hört und sieht mich nicht;

Jetzt greift er nach dem Hut.

O Wunder! ist nicht mein Gesicht

Schon wirklich lauter Glut?

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 1, Tübingen 1802, S. 23-25.
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