Das ertrunkene Weib

[20] Ein böses Weib, das keinem Drachen wich,

Die schrecklichste von allen Ruthen

Des strafenden Geschicks, ersäufte sich

Und ward ein Spiel der Fluthen.


Ihr Mann sucht den entseelten Leib,

Den er mit Sang und Klang begraben wollte,

Damit als Poltergeist auch nach dem Tod sein Weib

Ihn ja nicht plagen sollte.


Er fuhr in einem Kahn mit bangem Fleiß

Den Fluß hinab: er wühlt in Moor und Schlünden,

Fand ihren Modehut und ihren Modesteiß;

Sie selbst war nicht zu finden.


Laßt uns die Gondel drehn, rief endlich Nachbar Veit,

Sein Bootsmann, aus: ist sie sich gleich geblieben,

So hat sie wohl der Geist der Widerspenstigkeit

Den Strom hinaufgetrieben.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 1, Tübingen 1802, S. 20-21.
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