Der Tempel zu Memphis

[13] Ein Wandersmann, der nicht ein Wort

Vom Apis der Aegypter wußte,

Und einst nach Memphis reisen mußte,

Betrat den weltberühmten Ort

Mit forschbegierigem Vergnügen.

Er folgt der ersten besten Bahn

Und sieht auf einem weiten Plan

Itzt einen Tempel vor sich liegen,

Der dem geblendeten Gesicht

Ein achtes Wunderwerk verspricht.

Er gaft und staunt, und um noch mehr zu sehen,

Beschließt er ganz hinein zu gehen.

Doch kaum setzt er den Fuß hinein,

So bleibt er angeheftet stehen.

Sein Auge will, wie kann es anders seyn?

Zu gleicher Zeit an jedem Vorwurf kleben,

Den hohe Kunst und unschäzbare Pracht

Der ersten Gottheit würdig macht.

Erz, Marmor, Elfenbein, und Bilder voller Leben

Sind überall mit Weisheit angebracht.

Den starren Wandersmann ergreift ein heilig Beben.[14]

Er nähert sich, den Herrn so vieler Herrlichkeit,

Den Weihrauchwolken dicht umgeben,

Mit tiefer Unterwürfigkeit

In stummen Hymnen zu verehren.

Allein wie stutzt er nicht, als er den Gott erblickt!

Ein goldner Ochse wars, mit Perlen ausgeschmückt.

Kaum kann er sich des Lachens noch erwehren.

Ein großes Glück für ihn! Wird diesen fremden Gast

Ein guter Wind einst nach Europa wehen,

So kann er, ohne weit zu gehen,

In manchem glänzenden Pallast

Dergleichen Götter täglich sehen.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 1, Tübingen 1802, S. 13-15.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Fabeln und Erzählungen
Politische Fabeln und Erzählungen in Versen
Fabeln Und Poetische Erzählungen, Volume 2 (German Edition)
Fabeln Und Poetische Erzählungen, Volume 1 (German Edition)