Trost im Unglück

[7] Wo bin ich? ist die Welt vor mir verschwunden?

Wie? oder hält der Abgrund mich gebunden?

O Sonne! Warum ziehst du deine Blicke

Von mir zurücke?


Wo bist du, Hofnung, letztes Gut des Lebens?

Doch auch nach dir tappt meine Hand vergebens;

Auch du verbirgst nun deine holden Strahlen

Vor meinen Quaalen.


Die blasse Schwermuth, die mein Fleisch gefressen,

Umwindet meine Schläfe mit Cypressen.

Sie sind verwelkt, die Rosen und die Myrten,

Die sonst sie zierten.


Wie? soll die Nacht des Grabes meinen Tagen

Auf ewig alle Heiterkeit versagen?

Und dennoch reißt kein Tod die ekle Seele

Aus ihrer Höle.


Verhängniß, laß nun ab, mich zu versuchen,

Sonst muß ich – nein, ich kann dich nicht verfluchen.

So bald mein Geist die heil'ge Wahrheit denket:

Daß Gott dich lenket.
[8]

Bey wem willst du den Herrn der Welt verklagen?

Bethörte Seele, schäme dich zu zagen.

Sey weise, so entspringt dir aus dem Leiden

Ein Quell der Freuden.


O Weisheit! komm, erscheine meinem Herzen,

Geuß deinen Balsam über meine Schmerzen:

Nur du allein kannst mit dem Schicksal ringen,

Und es bezwingen!


Du bist die Weisheit, dich muß ich erwählen,

O Tugend! dich, du Gottheit in den Seelen.

Komm, Schöpferin der wahren ew'gen Wonne,

Sey meine Sonne.


O, selig! wer an deinem Busen lebet,

Der zittert nicht, wenn gleich der Weltkreis bebet;

Wenn Plagen Gottes sein Gebein zermalmen,

So singt er Psalmen.


Verzagte Seele! dämpfe deinen Kummer.

Das Leben ist ja nur ein kurzer Schlummer.

Bald wird der Tod die kalte Rechte strecken,

Dich aufzuwecken.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 1, Tübingen 1802, S. 7-9.
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