Die zween Griechen

[84] Zween Griechen, welche durch das Band

Der Sympathie verbrüdert waren,

Verließen jung ihr Vaterland,

Und suchten Glück bey den Barbaren.

Das Schicksal trennte sie: Porphyr

Kam nach Illyrien, ward Kriegsknecht, Offizier,

Spion, Feldmarschall, Großvezier

Und kurz, in Zeit von zwanzig Jahren

Bestieg er als der Schwiegersohn

Des Königs den ererbten Thron.

Aret, der nichts von ihm erfahren,

Kam als ein armer Philosoph

Vom Unglück stets verfolgt, an seines Freundes Hof,

Der eben Audienz ertheilte.

Was seh ich, Himmel! rief Aret,

Der weinend ihm entgegen eilte,

Porphyr, mein Bruder! Was? fiel seine Majestät

Erröthend ihm ins Wort; hinweg mit diesem Tollen,

Der unsern Stand vergißt! Vielleicht hat gar ein Feind

Sich hinter ihm verbergen wollen.

Vergieb mir, sprach Aret, ich hätte keinen Freund

Auf einem Throne suchen sollen.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 1, Tübingen 1802, S. 84-85.
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