Die Bonzen

[26] Zween Mönche von des Indus Strand

Durchstreiften einst nach alter Sitte,

Mit Stab und Bettelsack, das Land,

Und sahn vor einer niedern Hütte

Ein Weiblein, das beschäftigt war

Ein großes fettes Entenpaar

Zu füttern. Mit entblösten Köpfen

Nahn sich die Pfaffen auf den Knien

Den beyden schnatternden Geschöpfen

Und stürzen auf das Antlitz hin.

Was solls mit diesen Complimenten,

Ihr Herren? rief die Meyerin.

Ach gutes Weib, in diesen Enten

Wohnt unsrer lieben Väter Geist.

Gott, warum können wirs nicht wehren,

Daß bald ein Cannibal sie speist!

So heulten sie mit bittern Zähren.

Der Bäurin ward im Herzen warm:

Ich wollte sie euch gern verehren;

Doch, liebe Herren, ich bin arm,

Und muß aus Noth in wenig Tagen[27]

Sie nach der Stadt zu Markte tragen.

Nun gieng das Jammern erst recht an:

O weh den armen guten Greisen!

Barbarin, ist dein Herz von Eisen?

Was haben sie dir Leids gethan?

Die Wittwe bebt. Mit leisem Stöhnen

Reicht sie die Väter ihren Söhnen,

Die trugen sie vergnügt nach Haus

Und fraßen sie zum Abendschmaus.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 2, Tübingen 1802, S. 26-28.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Fabeln und Erzählungen
Politische Fabeln und Erzählungen in Versen
Fabeln Und Poetische Erzählungen, Volume 2 (German Edition)
Fabeln Und Poetische Erzählungen, Volume 1 (German Edition)