Der Reichstag

[184] Matz, der Affen Großherr, kam

Durch den Schlag um alle Kräfte,

Sein Gehirn verlohr die Säfte,

Arm und Beine wurden lahm.

Arzt und Henker pfuschten zwar,

Doch umsonst war Kunst und Sorgen;

Die Gefahr wuchs jeden Morgen,

Weil der Reichstag nahe war.

Man besorgt aus gutem Grund

Einen Aufruhr in dem Staate,

Weil schon lang der Potentate

Uebel mit dem Volke stund.

Es war wider die Natur

Morgenländscher Etikette,

Daß der Fürst gesprochen hätte;

Dieß geschah durch Zeichen nur.

Eben das vermehrt die Noth;

Wär er blos ein Narr, wir fänden

Leichter Rath; doch lahm an Händen,

Hieß es, ist so gut als todt.[185]

Schweigt und stellt das Jammern ein,

Rief ein Ausbund schlauer Affen,

Ich, ihr Herrn, will Hülfe schaffen,

Oder gleich gehangen seyn.

Als der Reichstag nun begann,

Wurde Matz auf einem Schragen

Heimlich auf den Thron getragen

Und mit Purpur angethan.

Unter diesem Mantel stand

Meister Gaudieb. Seine Pfoten

Declamierten, wie nach Noten,

Viel von Pflicht und Vaterland.

Alles Volk schwur hoch erfreut:

Nein, seitdem wir Fürsten haben,

Zeigte keiner solche Gaben

In der Staatsberedsamkeit.

Doch da sich der Schwarm verlor,

Kroch der Schalk aus seiner Höle

Und mit ihm des Fürsten Seele

In der Toris Kreis hervor.

Bravo! rief ein Ordensstern;

Aber sag uns unverholen,

Wo hast du die Kunst gestohlen?

»In Europa, meine Herrn.«

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 2, Tübingen 1802, S. 184-186.
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