Die Lerche

[199] Die Lerche sang ihr frommes Morgenlied:

Wie Weihrauch flog es durch die Lüfte

Bis zum saphirnen Thron, an dem das erste Glied

Der Wesenkette hängt. Die schwarzen Klüfte

Der Felsen hallten es zurück.

Ein Rohrspatz, welchen die Musik

Aus seinem trägen Schlummer weckte,

Fuhr auf: verwünschte Muckerin,

Ich wollte, da sie flugs verreckte!

So fluchet er. Die Lerche höret ihn

Und läßt den dummen Lästrer toben;

Sie schwingt sich in des Aethers lichte Flur

Und ruft im Fliehn: vergieb, o Vater der Natur!

Hier war es Sünde, dich zu loben.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 2, Tübingen 1802, S. 199-200.
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