Der Leichnam

[85] Ein zweyter Don Quixott, in dessen Kopf

Es mächtig spuckte, kam einst auf die Grille,

Er wäre todt. Schon lag der arme Tropf

Zween Tage lang in feyerlicher Stille

Auf seinem Kanapee. Man fasset ihn beym Schopf,

Er sinket welk zurück; man schreyt ihm in die Ohren,

Man kneipt ihn in das Kinn, man spritzt ihm ins Gesicht,

Umsonst, er hört und fühlet nicht.

Hier, sprach zuletzt der Arzt, ist meine Kunst verloren;

Man scharre nur den armen Junker ein,

Die Todten kann ich nicht erwecken.

Der Tischler bringt den schwarzbebeizten Schrein,

Er wird hineingelegt und keine Spur von Schrecken

Drückt sich in seinen Zügen aus.

Ein Bauer, der ihm Zinse bringen wollte,

Kam ungewarnt ins Sterbehaus:

Er kniete vor den Sarg; das Paternoster rollte

Durch seine braune Hand, nun dreht er das Gesicht:

Gott hab ihn selig, sprach er zum Husaren,

Der Marschallsdienste that, groß ist der Schade nicht,[86]

Denn ach! seit mehr als sieben Jahren

War ja der gute Herr ein Narr.

Itzt regt der Leichnam sich, die blauen Lippen beben:

Ha, Schurke! rief er aus, (der Kerl ward bleich und starr)

Wär ich nicht todt, bey meinem Leben,

Ich würde dir fünfhundert Prügel geben.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 2, Tübingen 1802, S. 85-87.
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