Die Bärin

[84] In Samogitien genas

Der Ehschatz eines edeln Bären,

Der mit im Parlamente saß,

Von einem Sohn. Die Jäger lehren:

Ein Bär, der aus der Mutter Schoos

Hervorkriecht, sey ein roher Klos,

Der erst durch Lecken Form und Schöne

Bekömmt. Das wußte die Mama

Noch besser als wir Menschensöhne,

Und schwur, als sie das Bübchen sah,

Von Lust berauscht, beym großen Petze

Des Firmaments, ihr kleiner Götze

Sollt ein Adonis seyn. Sie feilt,

Sie hobelt mit der rauhen Zunge

Ihn bis aufs Blut. Der arme Junge!

Er brummt, er wendet sich, er heult;

Umsonst, sie bleibt bey ihrer Mode,

Und leckt ihn endlich gar zu Tode.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 2, Tübingen 1802, S. 84-85.
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