Die Fischer auf Capri

[533] 1827.


Hast du Capri gesehn und des felsenumgürteten Eilands

Schroffes Gestad als Pilger besucht, dann weißt du, wie selten

Dorten ein Landungsplatz für nahende Schiffe zu spähn ist:

Nur zwei Stellen erscheinen bequem. Manch mächtiges Fahrzeug

Mag der geräumige Hafen empfahn, der gegen Neapels

Lieblichen Golf hindeutet und gegen Salerns Meerbusen.

Aber die andere Stelle (sie nennen den kleineren Strand sie)

Kehrt sich gegen das ödere Meer, in die wogende Wildnis,

Wo kein Ufer du siehst, als das, auf welchem du selbst stehst.

Nur ein geringeres Boot mag hier anlanden, es liegen

Felsige Trümmer umher, und es braust die beständige Brandung.

Auf dem erhöhteren Felsen erscheint ein zerfallenes Vorwerk,

Mit Schießscharten versehn; sei's, daß hier immer ein Wachtturm

Ragte, den offenen Strand vor Algiers Flagge zu hüten,

Die von dem Eiland oft Jungfrauen und Jünglinge wegstahl;

Sei's, daß gegen den Stolz Englands und erfahrene Seekunst

Erst in der jüngeren Zeit es erbaut der Napoleonide,

Dem Parthenope sonst ausspannte die Pferde des Wagens,

Ihn dann aber verjagte, verriet, ja tötete, seit er

Ans treulose Gestad durch schmeichelnde Briefe gelockt ward.

Steigst du herab in den sandigen Kies, so gewahrst du ein Felsstück

Niedrig und platt in die Wogen hinaus Trotz bieten der Brandung;

Dort anlehnt sich mit rundlichem Dach die bescheidene Wohnung

Dürftiger Fischer, es ist die entlegenste Hütte der Insel,

Bloß durch riesige Steine geschützt vor stürmischem Andrang,

Der oft über den Sand wegspült und die Schwelle benetzt ihr.

Kaum hegt, irgend umher, einfachere Menschen die Erde;

Ja kaum hegt sie sie noch, es ernährt sie die schäumende Woge.

Nicht die Gefilde der Insel bewohnt dies arme Geschlecht, nie

Pflückt es des Ölbaums Frucht, nie schlummert es unter dem Palmbaum:

Nur die verwilderte Myrte noch blüht und der wuchernde Kaktus[533]

Aus unwirtlichem Stein, nur wenige Blumen und Meergras;

Eher verwandt ist hier dem gewaltigen Schaumelemente

Als der beackerten Scholle der Mensch und dem üppigen Saatfeld.

Gleiches Geschäft erbt stets von dem heutigen Tage der nächste:

Immer das Netz auswerfen, es einziehn; wieder es trocknen

Über dem sonnigen Kies, dann wieder es werfen und einziehn.

Hier hat frühe der Knabe versucht in der Welle zu plätschern,

Frühe das Steuer zu drehen gelernt und die Ruder zu schlagen,

Hat als Kind mutwillig gestreichelt den rollenden Delphin,

Der, durch Töne gelockt, an die Barke heran sich wälzte.

Mög euch Segen verleihen ein Gott, samt jeglichem Tagwerk,

Friedliche Menschen, so nah der Natur und dem Spiegel des Weltalls!

Möge, da größeren Wunsch euch nie die Begierde gelispelt,

Möge der Thunfisch oft, euch Beute zu sein, und der Schwertfisch

Hier anschwimmen! Es liebt sie der Esser im reichen Neapel.


Glückliche Fischer! wie auch Kriegsstürme verwandelt den Erdkreis,

Freie zu Sklaven gestempelt und Reiche zu Dürftigen, ihr nur

Saht hier Spanier, saht hier Briten und Gallier herrschen,

Ruhig und fern dem Getöse der Welt, an den Grenzen der Menschheit,

Zwischen dem schroffen Geklüft und des Meers anschwellender Salzflut.

Lebet! Es lebten wie ihr des Geschlechts urälteste Väter,

Seit dies Eiland einst vom Sitz der Sirene sich losriß,

Oder die Tochter Augusts hier süße Verbrechen beweinte.


Quelle:
August Graf von Platen: Werke in zwei Bänden. Band 1: Lyrik. München 1982, S. 533-534.
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