16.

[471] Liebe, Liebreiz, Winke der Gunst und Alles,

Was ein Herz darbeut und ein Herz erwidert,

Wenig frommt's, leiht nicht die Gelegenheit ihm

Atem und Dasein.


Dich zu sehn schien Fülle des Glücks, und bebend

Staunt ich dir, traumähnliches Bild der Schönheit!

Nie an Wuchs, Antlitz und Gestalt erblickt ich

Diese Vollendung!


Deiner Form wollüstige Reize könnten

Heißern Wunsch aufregen; allein zur Erde

Senkt sogleich anbetenden Sinn des Auges

Ewige Hoheit.


Ach, es hat dein brennendes Auge mir sich

Zugewandt, huldvolle Gespräche sprach es,

Ja, ich sah's anfüllen sich sanft, vergehn im

Taue der Sehnsucht!


Alter Zeit Eindrücke bestürmten neu mich,

Euch an Kraft Gleich, Schmerzen der ersten Liebe!

Tief im Ohr nachtönend erklang verschollner

Knabengesang mir.
[471]

Wehe mir, mir, welcher ein einzig Mal dich

Durfte sehn! Nie leuchtet ein Wiedersehn uns!

Deiner Spur nachforscht ich das große Rom durch,

Ewig erfolglos:


Auf und ab stets irrend, so weit die Tiber,

Hadrians Grabveste vorüber, endlich

Jenen Kranz schlankstämmiger Säulen netzt am

Tempel der Vesta.


Quelle:
August Graf von Platen: Werke in zwei Bänden. Band 1: Lyrik. München 1982, S. 471-472.
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