33. An Franz den Zweiten

[485] Ohnmacht, Zerstücklung, jegliche herbe Schmach

War unser Los, seitdem du Germaniens

Reichsapfel nicht mehr wiegst in deiner

Rechten, o Herr, und von uns verlassen,


Uns alle preisgabst schimpflichem Untergang!

Wohl tat Erneurung unserem Reiche not,

Doch nicht Zerstörung; tief im Busen

Trug es den edelsten Keim der Freiheit.


Du zeihst des Abfalls uns, des Verrats mit Recht;

Wir zeihen dich, daß über die Alpen stets

Dein Aug gekehrt war, daß du Völker,

Deinem Germanien fremd, beherrschtest!


Einst griff sogar nach spanischem Ehering

Habgierig Östreich; doch es erwarb sich nur

Deutschlands Verlust. Sein fünfter Karl war

Unser Verderben und ganz Europas!


Jedwedes Unheil, welches die Welt betraf,

Floß aus der Brust ehrsüchtiger Könige,

Die unbefriedigt durch das Erbteil

Ihres Geschlechts in die Fremde schweiften.


Vergebens hoffst du, daß der Lombarde je

Dich lieben lernt, daß je es der Pole lernt!

Wohl schleifte Mailand Barbarossa,

Aber es blutete Konradin auch.


Gieb deinem Deutschland wieder ein deutsches Herz!

Dann wird, fürwahr, frohlockenden Jubelrufs

Dein wahres Volk aufnehmen seinen

Alten und kummergebeugten Kaiser!


Wer Sklave Moskaus wünschte zu sein, er bleib's!

Wir möchten frei sein, einig und groß; zu uns,

Die dein in Sehnsucht täglich warten,

Kehre zurück, o geliebter König!
[486]

Baschkireneinfall halte von uns entfernt;

Dann beut in Freundschaft deinem erneuten Volk

Das neue Frankreich auch den Handschlag

Über dem heiligen Sarg in Aachen.


Quelle:
August Graf von Platen: Werke in zwei Bänden. Band 1: Lyrik. München 1982, S. 485-487.
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