Vermächtnis der sterbenden Polen an die Deutschen

[154] (4. Oktober 1831.)


Wir gehn zu Grab erschöpft und laß

Nach manchem kühnen Strauß

Und atmen unsern Russenhaß

In eure Seelen aus.


Ihr mögt erwerben unsern Mut,

Und erben unser Schwert,

Das triefend von Barbarenblut

Barbarenblut begehrt.


Es zwang uns Übermacht ins Joch,

So treu wir uns verschanzt;

Doch weht die weiße Fahne noch,

Auf unser Grab gepflanzt!
[154]

Ergreift sie einst, und liebevoll

Gedenkt an unsre Pein:

Der ungeheure Frevel soll

Mit Blut gerochen sein!


Wir neiden unsern Sieger nicht,

Ihn trifft der Zeiten Fluch:

Von ihm und seinem Alba spricht

Das allerspätste Buch.


Stets waltet Glücklich ein Tyrann,

Das ist der Menschheit Los;

Was bleibt dem unterdrückten Mann?

Ein Grab im Erdenschoß.


Doch ihr, gewarnt durch unsre Qual,

Sei's morgen oder heut,

Oh, seid nur noch ein einzig Mal

Das alte Volk des Teut!


Quelle:
August Graf von Platen: Werke in zwei Bänden. Band 1: Lyrik. München 1982, S. 154-155.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe 1834)
Gedichte
Gedichte. Auswahl.
Wer wusste je das Leben?: Ausgewählte Gedichte
Die schönsten Liebesgedichte (insel taschenbuch)
Gedichte: Ausgabe 1834