19. Schneiderburg

[56] Ein Schneider flink mit der Ziege sein

Behauste den Krempenstein,

Sah oft von felsiger Schwelle

Hinab zu der Donauwelle,

In reißende Wirbel hinein.


So saß er oft und so sang er dabei:

Wie leb ich sorgenfrei!

Meine Ziege, die nährt und letzt mich,

Manch Liedchen klingt und ergetzt mich,

Fährt unten ein Schiffer vorbei!


Doch ach, die Ziege, sie starb und ihr

Rief nach er: Wehe mir!

So wirst du mich nicht mehr laben,

So muß ich dich hier begraben,

Im Bette der Donau hier?


Doch als er sie schleudern will hinein,

Verwickelt, o Todespein!

Ihr Horn sich ihm in die Kleider:

Nun liegen Zieg und Schneider

Tief unter dem Krempenstein!

Quelle:
August Graf von Platen: Werke in zwei Bänden. Band 1: Lyrik. München 1982, S. 56.
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