40.

[69] Was ruhst du hier am Blütensaum

Der sommerlichen Sprudelquelle,

Und siehst entstehn und siehst vergehn den Schaum?

So ruhn wir Menschen auf des Lebens Schwelle,

Und was wir hoffen, was wir suchen stets,

Ein leichter Hauch gebiert's, ein leichter Hauch verweht's.


Es übt sich mehr und mehr das Herz,

Und stählt sich, daß von Tag zu Tage

Mit größerm Mut es immer neuen Schmerz,

Und immer neuen Kummer trage:

Erringen quält, Errungnem droht Verlust,

Und ew'ge Sehnsucht hebt die bange Jünglingsbrust.


Drum preis ich den, der nicht begehrt!

Was wäre hier im leichten Staube

Des Suchens oder Findens wert?

Nach höhrem Ziel verweist der höhre Glaube;

Hier ist es nicht, wo jedes Ding verletzt,

Jenseits des Lebens ward dein Ziel hinausgesetzt!


Im Geiste strebe zu entfliehn

Den Schranken dieser Menscheninnung,

Und laß am Busen dir vorüberziehn

Die Stimmungen der wechselnden Gesinnung;

Dann trübt der Klarheit innern Spiegel nie,

Durch Lieb und Sorg und Haß, die rege Phantasie.


Laß Andre denn mit ird'schem Blick

Nach ihren bunten Zwecken haschen,

Sobald Geschick sie oder Mißgeschick

Im steten Wandel spielend überraschen:

Geschäftig sind sie, doch ihr Tun ist leer,

Und schnellzerstörend folgt das Schicksal hinterher.

Quelle:
August Graf von Platen: Werke in zwei Bänden. Band 1: Lyrik. München 1982, S. 69-70.
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