Nr. 147. Die Buttermilchsbetstunde.

[133] Es ist auch einmal in Zellerfeld ein Superintendent gewesen, namens Calvör, dessen Frau ist sehr geizig gewesen.[133] Wenn ihr Mann ins Fenster Pfennige gelegt hat für die Armen, so hat sie dieselben unterschlagen und verstecket. Wenn sie am Donnerstage gebuttert hat, hat sie die Buttermilch mit Wasser vermischet, und wenn sie Butter verkaufet hat, hat sie immer eine falsche Wage gehabt und so die Leute betrogen.

Wie sie gestorben ist, hat sie keine Ruhe gehabt und ist walten gegangen und man hat im Hause nicht bleiben können vor Geheul und Lärm, das sie gemacht hat. Endlich hat man einen Pater aus Goslar kommen lassen, um sie zu bannen. Der hat sie zitiert, und wie sie kommt, sagt er allen, die dabei sind, sie sollten sie ja nicht anrühren. Aber einer hat's doch gethan, wie sie ihm die Hand hingestrecket hat. Da haben ihm gleich die Finger gebrannt. Der Pater fragt sie, was ihr Begehr sei. Ach ich brenne im höllischen Feuer, jammert sie, und habe keine Ruhe. Im Keller ist das Geld, um welches ich die Armen betrogen habe. Darauf hat sie der Pater verbannt, und ihr verboten, jemals hier wieder zu erscheinen. Das Geld aber ist gefunden, ein großer Kessel voll, im Keller vergraben. Dieses Geld ist auf Zinsen geleget worden und die Zinsen werden alle Donnerstage nach einer Betstunde an die Armen verteilet. Die Wage aber ist in der Kirche aufgehänget. Die Betstunde nennt man in Zellerfeld die Buttermilchsbetstunde.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 133-134.
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