Nr. 49. Wasserleitung auf Schloß Wernigerode.

[29] Der Graf hatte erfahren, daß in der Stadt Wernigerode ein sehr geschickter Mann namens O........ wohne, den ließ er zu sich kommen und trug ihm vor, ob er nicht ein laufendes Wasser ihm auf sein Schloß führen könnte. Jener erklärte: Wollt Ihr mir die Verbrecher, die Ihr in Eurem Gefängnisse habt, losgeben, so will ich meine Kunst zeigen. Der Wunsch soll Euch gewährt sein, war die Antwort. Darauf machte O........ ein Verbündnis mit dem Satan, dem er seine Seele versprach, und fing mit seinen beiden Gefangenen[29] die Wasserleitung an abzugraben. Sie hatten die Leitung aber noch nicht ganz fertig, da ließ O........ dem Satan merken, daß er ihn betrügen wollte und dieser zerstörte den Bau selbst. Das hatte O........ nur gewollt. Durch diese erste Zurichtung hatte O........ sich so viel Kenntnis erworben, daß er eine neue Leitung machte und das Wasser glücklich oben auf das Schloß brachte. Dafür stellte der Graf O........ es frei, er könnte für seine Mühe sich entweder die sogenannte Charlottenlust, oder die Heidemühle, die zu jenen Zeiten eine Zwangsmühle gewesen ist, nehmen; O........ nahm die Mühle. Weil nun der Satan keine Tücke an dem O........ ausüben konnte, so stellte er das Wasser statt in der alten Stadt in der Neustadt herunter, dadurch verlor die Mühle so viel Wasser, daß er nicht fortwährend mahlen konnte, und der Mahlzwang ist von der Mühle genommen, weil er den Leuten ihr Getreide nicht immer mahlen konnte.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 29-30.
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