405.

[158] Es wird auch erzählt: Auf dem Auerberge, der jetzigen Josefshöhe, war schon früher ein alter Thurm, da kam eine Gräfin von Stolberg mit einer Tochter in Wochen. Weil diese nicht auf dem Schlosse geboren war, gehörte sie nach einem Gesetze nicht zur gräflichen Familie. Sie erhielt den Namen Aurine, wurde in's Kloster geschickt und Äbtissin im Kloster Gröningen auf dem Klosterkopfe vor der Stolbergischen Straße: Kaltes Thal. Aurine war aber streng und habsüchtig, entzog Vieles der Armuth und vergrub 12 Tonnen Goldes. Eines Abends wurden mehrere Mädchen geraubt, namentlich die Tochter eines Bäckers, ferner eine Braut aus dem Apel'schen Geschlechte. Es klopfte Abends am Polterabende an's Haus, sie ging hinaus und kam nie wieder, wie eine Frau aus dem Apel'schen Geschlechte, deren Mann in ihrer Gegenwart die Sage von der Aurine erzählte, selbst bestätigen wollte. Es ist das Haus, auf dessen Stelle jetzt die Mädchenschule steht. Das dritte Mädchen wohnte in der Stubengasse (am Wasser). Niemand wußte, wo diese Mädchen waren. Da fügte es sich, daß an einem schönen Sommerabende ein Handwerksbursche von Breitenstein nach Stolberg zu wanderte. Da sah er eine Leiche vom Kloster Gröningen her tragen, hörte auch das Geläut der Klosterglocken. Andächtig zog er seinen Hut vom Kopfe und ging der Leiche nach bis dahin wo sie eingesetzt wurde. Auffallend war ihm, daß zwar zwölf Mönche die Leiche trugen,[158] sie aber nicht auf dem Kloster begruben, sondern weit davon auf dem Fahrwege. Später wurde nachgegraben und es war die zuerst gestohlene Bäckerstochter mit einem kleinen Kinde, beide waren aber lebendig begraben. Da wurde das Kloster zerstört und die Aurine verflucht. Sie ist die weiße Jungfer.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Unterharzische Sagen. Aschersleben 1856, S. 158-159.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Unterharzische Sagen
Unterharzische Sagen
Unterharzische Sagen: Mit Anmerkungen und Abhandlungen
Unterharzische Sagen: Mit Anmerkungen und Abhandlungen
Unterharzische Sagen: Mit Anmerkungen und Abhandlungen