182. Der Ganter (Gänserich).

[74] Einstmals wollten zwei Männer von Silstedt Fische aus dem Wolfsholzteiche bei Nachtzeit stehlen; sie zogen ein Netz in dem Teiche durch, da auf einmal schlug das Wasser große Wellen, ohne daß der Wind sich bewegt hätte. Die Männer guckten sich um und sahen einen großen weißen Ganter von dem Holze herkommen, der breitete die Flügel auseinander, und das Wasser schlug noch größere Wellen. »Laat uns lopen, sagte der eine, dat is hier nicht richtig.« Sie liefen eine Strecke von dem Teiche weg und wollten sehen, was der Ganter wohl machen würde. Im Nu verschwand der Ganter; da sagte der eine zu dem andern: »laat uns hengan, dat wei unse Netz erst wedder krie't, denn dei Ganter is kein richtiger Ganter, dat is en Geist.« »Ja frielich is dat en Geist ewest! saunen groten Ganter giftet nich.« Darauf gingen sie hin zu ihrem Fischnetze und zogen es heraus, und weil es so schwer war, sagte der eine: »dat oole Netz is jo sau schwar, da mött höllische (viele, große) Fische drinn sien.« Sie schütteten ihr Netz aus und es lag ein großer, schwarzer Kerl darin. Vor Schrecken guckten sie nach nichts weiter hin, nahmen ihr Fischnetz und liefen eine Strecke fort; dann schauten sie nochmals nach dem Kerl, da sahen sie, daß er sich in's Wasser wälzte. Danach gingen die beiden Leute ohne Fische nach Hause und sagten: »um dat Jammer-Speukeding hebben wei doch nu keine Fische kreggen!«

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Heinrich Pröhle: Unterharzische Sagen. Aschersleben 1856, S. 74-75.
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