184. Die Steinkuhlen.

[76] Ein Fuhrmann aus Wernigerode Namens M. war mit seinem Gespann nach dem Regenstein gefahren, um sich Sand zu holen; spät kam er zurück, es war ungefähr 9 Uhr, als er vor die Steinkuhlen kam, die unweit Wernigerode liegen; doch waren seine beiden Pferde so matt, daß sie beinahe den Wagen auf gradem Wege nicht mehr ziehen konnten. Er dachte immer: wenn du nur erst zu den Steinkuhlen hinauf bist! Als er nun zu den Steinkuhlen herauffuhr, da wollte er helfen den Wagen schieben. Es wollte aber doch nicht gehen, er drehte sich um und dachte: wenn doch nur Einer käme, der dir mit 'raufhelfen möchte! Auf einmal kam ein großer hagerer Mann aus den Steinkuhlen hervor, da erschrack er sehr, weil er schon öfters gehört hatte, daß es bei den Steinkuhlen spuke. Der Mann ging hinter seinen Wagen, und auf einmal schob es denselben zu den Steinkuhlen herauf, daß seine Pferde kaum vor dem Wagen ausschreiten konnten; er sah sich aber gar nicht um und dachte bei sich selbst: wenn doch das bis nach Wernigerode so fortginge! Es dauerte aber blos bis auf den Berg, da hatte das Schieben ein Ende, und seine Pferde konnten wieder nicht mehr fort, wie unter'm Berge. Darauf ging er wieder hinten nach seinem Wagen, weil er glaubte, daß der hagere Mann nicht mehr da sein könne. Er blickte hinter'm Wagen zur Seite und wurde gewahr, daß ein kleines Licht auf dem Ufer lichterloh herausbrannte. Darauf band er seinen Halstuch ab und warf ihn nach dem Lichte, und es kam ihm vor, als wenn Jemand nach dem Halstuch faßte, jedoch wurde er weiter nichts gewahr als eine Menschenhand. Seine Pferde konnten den Wagen nicht mehr fortziehen, weil sie zu abgemattet waren, darauf spannte er seine Pferde ab und zog[76] damit nach Hause. Am andern Morgen ging er frühzeitig hin nach seinem Wagen, ohne Pferde, und wollte sehen, was das Licht zu bedeuten gehabt hätte; sein Tuch lag auf dem Rande und das Licht war verloschen. Er nahm seine Hacke, die er an seinem Wagen hatte, und fing an zu roden; auf einmal zeigte sich ein eiserner Topf, der oben mit Erde bedeckt war, die Erde machte er herunter und es war der Topf mit Gelde gefüllt. Hiernach nahm er seinen Topf und rodete ihn in seinen Sand auf dem Wagen, ging nach Hause, holte seine Pferde und fuhr den Wagen mit dem Gelde nach Hause. Danach hat der Fuhrmann sich gute Pferde angeschafft und alles großartig betrieben; die Wernigeröder aber haben gesagt: »wie mag das zugehen, daß der alte M. jetzt alles so großartig betreiben kann?«

Quelle:
Heinrich Pröhle: Unterharzische Sagen. Aschersleben 1856, S. 76-77.
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