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[86] Ein Schweinehirt von Drübeck, der H...... hieß, träumte dreimal, er solle das Silbergeschirr von der Himmelpforte wegholen. Seine Eltern verlachten ihn, der Pfarrer redete ihm zu, daß er hinginge, aber im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Als er hinkam, sah er von Weitem ein Licht brennen. Da er näher kam, sah er auf der einen Seite einen großen schwarzen Ziegenbock und ein großer langer Kerl lag auf dem Ziegenbocke und sah über ihn weg. Auf der andern Seite stand ein großer Hirsch. Vor dem Manne, der auf dem Ziegenbocke lag, wollte er zurück. Der aber winkte ihm und fragte, was er wolle, ritt auf seinem Ziegenbocke neben ihm her und sie folgten dem Lichte nach, das immer vor ihnen her hüpfte. Das Licht stand endlich still, der Ziegenbocksreiter wies und er hatte auf den ersten Griff eine Hacke; dann wies er wieder, und der Schweinehirt hatte eine Schaufel. Da waren auf einmal vier Lichter und der Ziegenbocksreiter wies, er sollte roden. Als er rodete, stand plötzlich ein Chor von lauter kleinen Musikanten da und machte die schönste Musik. Aus der Erde heraus aber kamen an derselben Stelle, wo er gerodet hatte, zwei Nonnen, davon hatte jede einen Präsentirteller, darauf war Gebacknes und Getränke. Sie setzten es den Musikanten vor, die nahmen auch davon, aber keiner aß oder trank davon. Da verschwand die eine, die andre aber bemerkte ihn in dem nämlichen Augenblicke und überreichte ihm zwei Schüsseln und auf jeder Schüssel stand eine Kanne. Der auf dem Ziegenbocke sagte: »Du itzt mik aber un drinkst nich eher, bis dat ik dik dat segge.« Darauf zogen sie weiter, das Licht aber hüpfte immer vor dem Ziegenbocksreiter und vor ihm her und ehe der Schweinehirt sich's versah, waren sie an einer Kegelbahn, die mit dem Kloster Himmelpforte verwünscht war. Da war die ganze Noblesse aus dem alten Kloster Himmelpforte und wollte kegeln, fragten auch den Schweinehirten, ob er ihnen nicht etwas Kegel aufstellen könne. Er sagte, wenn er's bezahlt bekäme, ja. Da kamen die Nonnen wieder und brachten den Kegelgästen [86] Speise und Trank. Auch die Musik schallte noch immerfort. Die Kegel waren gluh und die Kugeln auch. Plötzlich that es unter dem Kegeln einen furchtbaren Krach. Da war alles verschwunden, der Schweinehirt schlief, am andern Morgen aber lagen Kugeln und Kegel bei ihm und waren Gold. Die Kegelbahn war verschwunden. Als der Schweinehirt mit seinen Geschenken nach Drübeck kam, war es noch nicht Tag. Was er mitgebracht hatte, wurde dem Grafen von Stolberg in Wernigerode übergeben (so schloß der Erzähler) und dieser sorgte für den Hirten.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Unterharzische Sagen. Aschersleben 1856, S. 86-87.
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